Sonntag, 24. September 2017

Nadia auf den Spuren der Liebe, ähm, nach dem Wahlverhalten der Bundesbürger



Nachdem Nadia Kailouli für das Erste auf den Spuren der Liebe war, hat sie sich für SPIEGEL Online auf die Suche nach der politischen Stimmung in ein paar bundesdeutschen Lindenstraßen begeben. Eine eigentlich pfiffige Idee. Doch die Personalie Kailouli offenbart die Missstände im deutschen Journalismus, weil dieser mittlerweile von medialen Rampensäuen lebt. So etwa Janin Reinhardt, anfänglich Ulknudel beim Musiksender VIVA, später erfolglose Schauspielerin und danach Volontärin beim Norddeutschen Rundfunk. Nicht anders ist das bei Nadia Kailouli.

Überall, wo eine Kamera ist und es nicht zu tiefgründig wird, ist Nadia Kalouli. Doch in ihrem Format bei SPIEGEL Online mit seinen wenig tiefschürfenden Interviews ist ihr ein kleiner Erfolg gelungen. Sie war unterwegs in der Lindenstraße im oberbayrischen Netterndorf und München und befragte die Wahlbürger. In den Interviews stach hervor, dass viele Menschen nicht mehr aus politischen Visionen heraus wählen gehen, sondern aus Dankbarkeit und Genügsamkeit oder wegen politischer Denkzettel. Dieser journalistische Beifang ist exemplarisch für eine postdemokratische Gesellschaft, in der es beinah nur noch gilt, dem anderen einen Denkzettel zu verpassen oder missliebige Parteien zu verhindern. Schließlich wählt kaum noch einer mehr den politischen Fortschritt.

Dieser bedauerliche Umstand mag an der geringen Überzeugungskraft progressiver Kräfte liegen oder der vermeintlich historischen Delegitimation fortschrittlicher Ideen seit dem Untergang der DDR. Oder dem Glaube an den ewigen Siegeszug des Marktes mit seiner freien Hand, die irgendwie alles schon regeln wird.

Und so befinden sich Wähler und Parteien in einem Teufelskreis. Die politischen Parteien, die laut Artikel 21 des Grundgesetzes der demokratischen Meinungsbildung dienen sollen, scheuen sich mittlerweile in größeren Würfen, sind von den Wahlbürgern oftmals vollkommen entfremdet oder bieten oftmals lediglich Stagnation, wenn nicht sogar Reaktion an. Doch davon fühlen sich die Wahlbürger nur bedingt angesprochen und begnügen sich deshalb oftmals mit Status quo. Das ist sehr bedauerlich, aber sehr charakteristisch für den aktuellen gesellschaftlichen Querschnitt.

Da ist es auch kein Wunder, dass die deutsche Sozialdemokratie an den Wirklichkeiten vorbeiarbeitet. Alle vier Jahre verspricht sie das Gleiche. Und besonders jetzt nach dem Aufstieg der vermeintlichen Alternative für Deutschland. Zwar sind die Wählergruppen bei der AfD und SPD identisch, jedoch deren Beweggründe nicht. So entstammen die Wähler der SPD dem Kleinbürgertum und die der AfD dem Klein- bis Bildungsbürgertum. Beide Wählergruppen fühlen sich durch Veränderungen bedroht. Während die Sorge eines sozialen Abstiegs die Wählerschaft der SPD antreibt, ist es bei der Wählerschaft der AfD die Besorgnis um die gesellschaftliche Veränderung.

Doch das hat die SPD wie so oft nicht erkannt. Ihre Kernwählerschaft übergibt sie seit Jahren kontinuierlich an die Linke. Bei der SPD verblieben sind lediglich Kleinbürger im mittleren Alter oder älter. Und so spricht bedauerlicherweise einzig die AfD ihren Wählern im bürgerlichen Spektrum aus der Seele. Die Wähler von CDU, CSU, SPD, FDP und Bündnis‘90/Die Grünen hingegen begnügen sich mit der Hoffnung, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommen wird. Doch solch eine Hoffnung wird sich nicht erfüllen. Diese fünf moderat-bürgerlichen Parteien werden ihren Politikbetrieb so fortführen, wie sie es gewohnt waren. Daran wird sich auch das Erstarken der AfD nichts ändern.

Und so stellt sich nur noch die Frage, was eine Wahl soll, bei der man das geringere Übel beziehungsweise die Stagnation wählt oder lediglich Denkzettel verteilen will. Denn so etwas zeugt von politischer Unreife.

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