Die Ausdifferenzierung nach Georg
Simmel oder die Individualisierung nach Émile Durkheim scheinen noch nicht
endgültig abgeschlossen, könnte man meinen. Dadurch wirken der Liberalismus grenzenlos
und sein Siegeszug seit dem Untergang des Sozialismus 1990/1991 scheinbar
unaufhaltsam. Und so gab es mit jeder Generation liberalere Menschen, weshalb vermeintlich
aussätzige Minderheiten immer stärker inkludiert wurden. In den 1970ern und
1980ern erfuhren in der westdeutschen Gesellschaft die italienischen,
spanischen und griechischen Gastarbeiter ihre rechtmäßige Aufwertung. In den
1990ern die polnischen Mitmenschen in Deutschland. In den 2000ern die
Homosexuellen. Und in den 2010ern die Frauen. Bleiben nur noch die Muslime,
Schwarzafrikaner und andere Minderheiten. Aber diese werden auch hoffentlich bald
ihre legitime Emanzipation in unserer Gesellschaft erfahren. Doch was kommt
dann? Wen kann man dann gleichberechtigen, wenn alle Menschen vor dem Gesetz
gleich sind und alle Menschen die gleichen Chancen haben?
Manche versuchen bereits jetzt
schon in der Gleichberechtigung der Tiere. Etwa die Grünen, Peta und
Greenpeace. Doch das ist ein Irrweg. Schließlich beinhalten Rechte auch
Pflichten. Und solange Tiere über kein Bewusstsein verfügen, können sie auch
keine Rechte genießen oder ihren Pflichten nachkommen. Ein anderer falscher Weg
wäre die Egalisierung der Pädophilie, was mittlerweile auch Bündnis‘90/Die
Grünen erkannt haben. Wen kann man also bald noch gleichberechtigen?
Der Liberalismus scheint, unter
den gegebenen Umständen an seine natürlichen Grenzen zu stoßen. Denn irgendwann
werden alle Menschen vor dem Gesetz gleich sein. Trotzdem stößt damit die
Menschheit nicht an ihre natürlichen Grenzen.
Doch dass der Liberalismus
irgendwann an sein Limit gerät, ist mittlerweile absehbar. Ein Beispiel: Jeder
Politiker in der Welt bekennt sich zu den Menschenrechten, auch wenn dieser
diese unveräußerlichen Rechte nicht beherzigt. Und zu den Menschrechten zählt unter
anderem das Recht auf Freizügigkeit. Freizügigkeit hat im Deutschen zweierlei
Bedeutungen. Auf der einen Seite kann es etwa Frivolität, Gewagtheit oder
Großzügigkeit bedeuten. Doch diese Dimensionen werden von den Menschenrechten
nicht tangiert. Auf der anderen Seite kann Freizügigkeit auch das Recht auf
freie Mobilität beinhalten, also das Recht auf freie Reise.
Aber darf man dieser Welt
tatsächlich frei reisen? Als Europäer ist das sicherlich vergleichsweise
einfach. Sicherlich besteht in manchen Ländern Visapflicht. In anderen Staaten
kriegt man bei Reisen staatliche Aufpasser zur Seite gestellt. Trotzdem stellt
das keine Begrenzung der Reisefreiheit dar. Europäer können überall hinreisen.
Damit geht es den Europäern
weitaus besser als vielen anderen Menschen. Denn Bewohnern aus der sogenannten
Dritten Welt ist es nicht unbedingt gestattet, in andere Staaten zu reisen. Das
erfordert oftmals ebenfalls ein Visum. Diese kosten Geld, weshalb viele
reisewillige Menschen bereits an dieser Hürde scheitern. Gleichzeitig wird bei
Visaanträgen nach dem Grund der Reise gefragt, weshalb erneut viele Menschen
scheitern.
Dieser Sachverhalt thematisiert
nicht die große Flüchtlingswelle auf Europa. Trotzdem verdeutlicht er sehr gut,
dass der Liberalismus seine natürlichen Grenzen hat, obwohl die
unveräußerlichen Menschrechte weltweit gelten.
Außerdem verdeutlicht ein praktisches
Beispiel, dass der Liberalismus sich nur mit der sozialen Emanzipation
weiterentwickeln kann. Schließlich sind Staatsgrenzen lediglich Grenzen zur
Wohlstandswahrung. Diese hatten sicherlich ihre Berechtigung, dennoch sind sie
historisch in einer globalisierten Welt und in einem supranationalen Gebilde
wie der Europäischen Union längst überholt. Schließlich verdeutlichen die
Ursachen der immer noch andauernden Griechenlandkrise, dass notfalls auch über
Staatsgrenzen hinweg mit zumindest bislang unlauteren Mitteln für sozialen
Ausgleich gesorgt wird.
Und fielen nun endgültig die
letzten Grenzen und erhielte damit die Freizügigkeit ihre Wahrhaftigkeit,
führte das zu einer Weiterentwicklung sowie zu einer Belebung des
Liberalismus‘. Doch wenn das nicht erfolgt, ist und bleibt der Liberalismus
eine geradezu leere Hülse.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen