Dienstag, 1. Dezember 2015

Sprache als Gefühl



Der deutsche Sprachgebrauch in der Gesellschaft ist sehr oft erschreckend schlecht. Sowohl im mündlichen als auch im schriftlichen Gebrauch. So verwenden viele Menschen eine falsche Steigerungsform des Wortes „einzig“. Genauso wird dem Wort „eben“ fälschlicherweise gern ein D angehängt oder dem Wort „gern“ ein E. Mit der Kommasetzung braucht man gar nicht erst anfangen.

Und bei den allabendlichen Worte der Tagesschausprecher „Und nun der Wetterbericht für morgen, Dienstag, den 31. November 2015.“ kommen nur wenige Leute ins Grübeln. Einigen fällt vielleicht der Fehler auf, dass es keinen 31. November gibt. Jedoch ist den Zuschauern dieser tagtägliche Spruch derartig ins Blut übergegangen, dass sie gar nicht mehr reflektiert zuhören und ständig das Datum im Akkusativ verwenden. Schließlich macht das die Tagesschau ja auch so. Und was die Tagesschau macht, kann nicht falsch sein, so viele Zuschauer. Folglich muss das Datum immer im Akkusativ stehen. Der Glaube an die wenig fehlerbehaftete Tagesschau ist lobenswert, jedoch sind der blinde Glaube und die blinde Übernahme nicht angebracht.

Doch wie wäre es, wenn die Sprecher einmal vorlesen würden: „Es folgt der Wettervoraussage zum morgigen Dienstag, dem 01. Dezember 2015.“ Ja, der Akkusativ ist dem Dativ sein Tod, um einen populären Ausspruch abgeändert zu verwenden.

Dass Präpositionen wie „mithilfe“, „aufgrund“ oder „wegen“ den Genetiv verlangen, ist längst vergessen. Mittlerweile verschwindet gerade der Dativ. Im Vergleich zur englischen oder französischen Sprache ist das vielleicht eine normale Entwicklung. Doch kaum einer weiß, dass Präpositionen wie „mit“, „nach“, „an“, „bei“, „seit“, „von“, „zu“ und „aus“ den Dativ erfordern. Und wenn vor einem Datum dann eine solche Präposition steht, muss ein Dativ dort stehen. Nicht dass Individuum legt die Regeln der Sprache fest, sondern die Mehrheit. Also heißt es richtigerweise: „Am Sonntag, dem dritten Advent, dem 13. Dezember 2015.“

Aber genauso gibt es Präpositionen, die den Akkusativ erfordern. Diese lauten folgendermaßen „durch“, „für“, „ohne“, „um“, „bis“ und „gegen“.

Und wenn gar keine Präposition vor einem Datum steht, so steht die Tagesanzeige im Nominativ. Etwa: „Hamburg, der 01. Dezember 2015“.

Als Eselsbrücke könnte man sich merken: Bilde einen Satz aus den Gliedern „Karl der Große“, „erschießen“ und „das Reh“. In der Logik der Leute mit falschem Sprachgebrauch hieße der Satz: „Karl den Großen erschießt das Reh.“ Dabei können Rehe nicht einmal zielgerichtet schießen. Denn dazu fehlen ihnen Hände und besonders die Daumen.

Doch nicht nur mancher Sprachgebrauch ist oftmals falsch. Auch viele Worte werden falsch gebraucht, weil den Sprechern neben orthographischen und grammatikalischen Kenntnissen weitere grundlegende Bildung fehlt. Und so möchte ich simplicistisch und so minimalistisch wie möglich in meinem positivistischen Weltbild sagen, dass die Welt weniger Materialismus von determinierten Kapitalisten und dafür mehr Idealismus braucht.

Dazu ein paar Erklärungen:

1. Es gibt kein Wort wie „simplicistisch“ in der deutschen Sprache. Der Simplicissismus war eine satirische Wochenzeitschrift von 1896 bis 1944.

2. Das Wort „minimalistisch“ beinhaltet auch nicht „geringfügig“ oder „kleinstmöglich“. Der Minimalismus war eine Strömung in den bildenden Künsten der 1960ern.

3. Der Positivismus hat nichts mit guten Absichten oder mit Gutmenschen zu tun. Der Positivismus ist eine historisch längst überholte Strömung in der Philosophie des 19. Jahrhunderts. Laut Positivismus hat jede Erscheinung seine visuellen Ursachen. Demnach ließen sich Verbrecher anhand ihrer Physiognomie als Verbrecher erkennen. Jedoch sollte jedem modernen Menschen klar sein, dass man Menschen nicht aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbilds abstempelt.

4. Genauso hat der Materialismus nichts mit Raffgier zu tun. Der Materialismus ist ebenfalls eine philosophische Position. Der Materialismus beinhaltet Fragen nach Vorgängen unter Berücksichtigung von kausalen Zusammenhängen. Demnach gibt es immer irdische Zusammenhänge. Der Mensch ist folglich durch das Sein bestimmt.

5. Dagegen vertritt der Idealismus einen vollkommen anderen Ansatz. Im Gegensatz zum Materialismus ist der Mensch nach idealistischem Gesichtspunkt Objekt und durch sein gottgegebenes Bewusstsein bestimmt. Insofern hat der Idealismus nichts mit einem positiven Menschenbild zu tun.

6. Und wie Materialismus und Idealismus ist der Determinismus auch eine philosophische Richtung. Der Determinismus setzt alle Ereignisse als vorbestimmt voraus und hat nichts mit Beschränktheit zu tun. Dass nach Donnerstag, dem 31. Dezember 2015, Freitag, der 01. Januar 2016, folgt, ist sicherlich keine gewagte These. Aber kann man sich dessen jemals gewiss sein?

Wenn man also einfach und nicht simplicistisch sprechen will, dann sollte man nicht vermeintliche Lehnwörter verwenden. Das soll nicht minimalistisch sein, sondern vielmehr ohne Großspurigkeit vermeintlicher Bildung. Das hat nichts mit Negativismus zu tun, weil es diesen genauso wenig wie die landläufige Definition vom Positivismus gibt. Das alles ist nicht unbedingt eine Frage von Materialismus oder Idealismus, trotzdem bewirkt dieser Beitrag hoffentlich vielleicht etwas. Das hätte dann durchaus materialistische Folgen. Und wenn dieser Beitrag nichts bewirkt, dann sind zwar viele Menschen nicht determiniert, doch zumindest beschränkt. Dann hilft nur noch Gottvertrauen der Idealisten.

Diese Beispiele des falschen Sprachgebrauchs verdeutlichen offensichtliche Bildungsdefizite. Das Leitmotiv an deutschen Schulen, in denen Sprachkompetenzen vermitteln werden sollte, lautet: „Sprich, wie Du Dich fühlst!“ Als ob Sprache ein Gefühl sein könnte!? Sprache ist ein Instrument zum Ausdruck von Gefühlen.

Und auch der Verweis auf den ständig andauernden Sprachwandel ist nicht unbedingt angebracht. Sicherlich ist es normal, dass die Fälle Genitiv und Dativ aussterben und irgendwann nur der Nominativ und Akkusativ bestehen bleiben, oder dass starke Verben den weichen weichen müssen. Jedoch macht die Steigerung mancher Adverbien trotz Sprachwandels keinen Sinn. Können „tot“ oder „einzig“ gesteigert werden? Dieses Beispiel entkräftet das saloppe Argument des Sprachwandels.

Selbst Akademiker sind vor den genannten Fehlern nicht gefeit. Viele steigern die Einzigartigkeit, indem sie das Wort „einzigstes“ fälschlicherweise gebrauchen. Und genauso verwenden viele Akademiker die Worte wie Materialismus, Idealismus, Positivismus und Minimalismus falsch. Das zeugt vom geringen Bildungsniveau vieler Studiengänge. Beinhalteten früher Hochschulbildungen noch umfassende Kenntnisse und Bildung, sind diese nicht mehr zwingend erforderlich. Wieso auch? Wozu braucht ein Mediziner auch philosophische Kenntnisse? Schließlich soll er ja lediglich das Leiden lindern und nicht mit dem Patienten ein philosophisches Duett eröffnen.

Dennoch ist ab und an ein Blick in ein Wörterbuch wie dem Duden, der übrigens auch online abrufbar ist, oder in ein Lexikon angebracht. Manche Passagen im Duden sind sogar so gut, dass man davon einfach nicht loskommt und diese immer wieder erneut lesen muss. Damit ist der Duden eine weitaus bessere Lektüre als viele andere Klassiker.
Sprich also, wie Du Dich fühlst?! Aber bitte richtig!

1 Kommentar:

  1. Cool, ich finde das ganz gut beschrieben.

    Nun wurmt mich jedoch eine Sache.
    Vielleicht kommt es dir bekannt vor, vielleicht lernst auch du jetzt noch dazu, vielleicht ist es auch nur ein kleiner Tippfehler...

    Mir wurde als Kind immer wieder folgender Satz eingetrichtert:
    Wer "brauchen" ohne "zu" gebraucht, braucht "brauchen" gar nicht zu gebrauchen.
    Wenn da etwas dran sein sollte, dann befindet sich gleich im ersten Absatz deiner kleinen Ausführung ein eklatanter Fehler, der sich vor allem im Kontext des nachfolgenden Textes alles andere als gut macht.

    Was hat es damit auf sich?
    Liege ich falsch, hat meine Mutter mir damals Unsinn weisgemacht?

    Vielen Dank für deine Antwort,
    Lieben Gruß,

    Alex

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