Montag, 3. August 2015

Aufgewärmte Neuheiten



Vor 70 Jahren wurden die beiden bislang einzigen Atombomben in einem Krieg eingesetzt. Und zwar zur endgültigen Klärung des Zweiten Weltkriegs in Ostasien. Dazu wurden am 06. beziehungsweise am 09. August 1945 zwei US-amerikanische Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. Ein schreckliches Ereignis. Unter den Opfern waren zahlreiche Zivilisten.

Anlässlich des Jahrestages widmet das Erste seine Aufmerksamkeit und sein Programm der historischen Aufarbeitung, um den Sinn und die Notwendigkeit der beiden Atombomben zu klären. Die Reportage des NDR kommt zu dem Schluss, dass es keine militärische Notwendigkeit für den Atombombeneinsatz gab. Außerdem starben zu viele Menschen, als dass tatsächlich Rüstungsunternehmen und Militäreinrichtungen zerstört worden wären.

Mit diesen Erkenntnissen feiert sich die ARD als wissenschaftlich relevant, weil es scheinbar neue Erkenntnisse zutage fördert. Gleichzeitig wird die Sendung deshalb überall entsprechend groß beworben. Doch tatsächlich neu sind die Erkenntnisse von NDR-Korrespondent Klaus Scherer nicht.

Seit langem ist der militärische Nutzen des US-Atombombenabwurfs auf die beiden japanischen Städte in Zweifel gezogen. Schließlich waren die alliierten Truppen in Ostasien auf dem Vormarsch. So waren bereits viele japanische Städte durch alliierte Luftangriffe zerbombt. Gleichzeitig wurde im April 1945 die heutige indonesische Stadt Tarakan bombardiert. Das diente der Vorbereitung zur Invasion durch australische Truppen am 01. Mai 1945. Damit begann der Vormarsch mithilfe der Operation Oboe. Obwohl Japan aber noch zahlreiche Inseln und Gebiete besetzt hielt, waren die japanischen Truppen auf dem Rückzug. Insofern war der Nutzen der beiden Massenvernichtungswaffen tatsächlich unnütz. Doch der Einsatz dieser zerstörerischen Waffen wurde nicht deshalb bewilligt, weil es sie gab. So zumindest wird es in der Reportage von Scherer dargestellt. Nein, die Atombomben dienten als Signal an die Sowjetunion. In der UdSSR sahen die US-amerikanischen Strategen bereits den nächsten geopolitischen Gegenspieler. Und deshalb erfolgte der Abwurf der beiden Bomben.

Dass die Bomben geringe Zerstörung von Rüstungsfirmen und Militäreinrichtungen aufwiesen und weitaus stärker die Zivilbevölkerung trafen, erfolgte mit dem Einsatz zwangsläufig. Für die Atombomben gab es damals kein modernes Lenksystem, wie man es aus der zeitgenössischen Kriegsführung kennt. Und Atombomben sollten anfänglich auch nicht durch Flugzeuge transportiert und abgeworfen werden.

Bei einem Angriff der Roten Armee und ihrer Verbündeten auf Westeuropa galt der Atombombenabwurf als zu ungenau. Folglich wurden Atomgranaten entwickelt, die wie Minen durch Kontakt ausgelöst würden. Diese Atomwaffen sollten bei einem Angriff der Sowjetarmee vergraben werden. Erst durch den Sputnikschock 1957 war der militärische Nutzen von Raketen und Lenksystemen offensichtlich und tatsächlich eingetreten. Der Vorläufer des Sputniks in Form der deutschen V2 war noch zu unpräzise. Dagegen absolvierte der Sputnik einen sauberen Flug und offenbarte, dass die Rote Armee fortan jede Punkt der Welt zielgenau treffen könne.

Insofern waren alle Erkenntnisse der ARD-Sendung bereits vorher bekannt. Die hochgelobten neuen Erkenntnisse sind alt und wurden lediglich aufgewärmt. Damit hat sich Scherer nicht mit Ruhm bekleckert.

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