Knapp zwei Wochen ist es her, da
hatte ich eine Bildungsveranstaltung der ver.di zum Thema Gedächtnistraining.
Viele Kollegen schwärmten davon, also meldete ich mich auch ‘mal an. Was habe
ich schon zu verlieren? In ver.di bin ich eines der jüngeren Mitglieder,
insofern dürfte es um mein Gedächtnis ganz gut stehen. Also ab zum Seminar.
Dort angekommen ging es auch
gleich los. Zu Beginn gab es einen Test bei dem 15 Begriffe genannt worden
sind, die man sich alle merken sollte. Um etwas Verwirrung zu schaffen, wurden
danach kleine Rechenaufgaben gemacht. Anschließend sollten wir die Begriffe
aufschreiben. Ich schaffte elf und lag damit auf Platz zwei. Die Kollegin, die zwölf
schaffte und damit vor mir lag, hatte jedoch an der Mathe-Aufgabe nicht
teilgenommen, weil sie sich der Mathematik grundsätzlich verweigerte, wie sie
selbst erklärte. Aber so ist es eben. Nach diesem ersten Durchlauf wurden 15 Begriffe
genannt und als Wort auf einer Karte hochgehalten. Und nun gab es auch wieder
Rechenaufgaben. Die Sache lief nicht ganz so gut für mich, weil ich Abweichungen
zwischen genannten und gezeigten Worten befürchtete und deshalb nur sechs Worte
mir merkte. Ein Fehler meinerseits. Nach diesem kleinen Rückschlag wusste ich,
dass es im dritten Durchgang dieses Tests ehrlich ablaufen wird. Es wurde also
kein Begriff genannt, der nicht auf stimmte. So wurden Sachen hoch gehoben und
mit einem Namen benannt. Nach einer kurzen Rechnerei schaffte ich wieder elf
Treffer. Und lag auf einer guten Position. Zwar nicht auf Platz eins, aber
zumindest weit vorn auf Platz zwei.
Der zweite Test sah vor, dass man aus folgender Tabelle so viele Worte bildet, wie möglich. Jedoch sollten die
Worte eine Mindestlänge von vier Buchstaben sowie den Buchstaben A aufweisen.
Eigentlich ganz leicht. Ich schaffte zwar auch nicht alle Kombinationen, doch
zumindest mehr als die anderen Kursteilnehmer. Damit lag ich auf Platz eins,
gleichauf mit der Kollegin, die im ersten Test besser abschnitt als ich.
P | M | F |
T | A | K |
T
|
R
|
O
|
Der dritte Test sah vor, dass man
anhand der folgenden Figur zählt, wie viele Quadrate man erkennt. Leider hatte
ich vier zu wenig erkannt. Doch zumindest hatte ich die meisten. Kein anderer
Teilnehmer hatte genauso viele oder mehr als ich. Damit war ich nun auf Platz
eins.
Doch es gab noch einen weiteren
Test. Auf einem Blatt standen dafür 63 Zahlen. Darunter ein- bis fünfstellige
Zahlen. Innerhalb kürzester Zeit sollte man alle Zahlen unterstreichen, die
durch drei teilbar sind. Für Verwirrung sorgte ein Kollege, der ganz schnell
war und meinte, dass alle Zahlen durch drei teilbar wären. Eigentlich richtig.
Da jedoch keine gebrochenen Zahlen auf dem Blatt standen, haben die meisten diese
Lösung des Kollegen als falsch ausgeschlossen. So sollte die Aufgabe eher
lautet: „Unterstreichen Sie so schnell wie möglich alle Zahlen, die durch 3
teilbar sind und keinen Rest aufweisen.“ Und unter dieser Aufgabenstellung habe
ich als Erster mit großem Vorsprung, die Aufgabe gelöst. Ein kleiner Trick von
mir: Ist die Quersumme einer Zahl durch drei teilbar, ist die Zahl auch durch
drei teilbar. Und diese Hilfestellung kann man sich merken, denn die Frage wird
nie lauten, wie viele Zahlen durch eins, zwei, vier, fünf, sechs, sieben oder
noch größeren Zahlen teilbar sind. Schließlich sind alle graden Zahlen und die
Eins zu einfach, die Fünf zu offensichtlich, und ab sechs sind alle weiteren
Zahlen zu groß und unübersichtlich. Na ja, so ist es nun einmal. Auch diese
Aufgabe habe ich richtig gelöst und brauchte nicht wie die anderen Teilnehmer
vorgehen, indem ich mir zuerst die leichtesten Zahlen herauspicke.
Zum Schluss gab es noch eine
Hausaufgabe, die ich an einem der folgenden Tage binnen 15 Minuten gelöst
hatte. Vermutlich sogar als Einziger. Jedenfalls war meine Lösung fehlerlos.
Die Aufgabenstellung dazu lautete folgendermaßen:
„Finden sie die richtige
Zuordnung heraus:
1. Wie heißen die Freunde?
2. Wer übt welchen Beruf aus?
3. Welchen Berufswunsch hatten
sie als Kinder?
4. Welches Hobby begeistert sie
noch heute?
Name
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Beruf
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Hobby
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Berufswunsch
als Kind
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Hinweise zur Lösung:
1. Sven, der mit Freunden gern
Posaune spielt, wollte früher Fußballspieler werden und ist nicht der
Physiotherapeut, der in seiner Freizeit Leadsänger ist.
2. Der Hobbysegelflieger wollte
früher Astronaut werden.
3. Der Tennisspieler ist nicht
Claudio, der von Beruf Lehrer ist.
4. Stefan, der früher Opernsänger
werden wollte, liebt nicht Flamenco.
5. Hendrik ist von Beruf
Informatiker.
6. Der Personalberater, der
früher Tierarzt werden wollte, heißt weder Stefan noch Sven.
7. Stefan ist nicht Bibliothekar
und wollte nicht früher Polizist werden.
8. Derjenige, dessen
Kindheitstraum Fußballer war, liebt Flamenco und heißt nicht Lukas.“
Diese Aufgaben sind alle machbar sowie
lösbar und ähneln sehr stark Intelligenztests. Doch was sagen solche Tests über
einen aus? Die Kollegen im Kurs schnitten allesamt überhaupt nicht schlecht ab
und erzielten gute bis durchschnittliche Ergebnisse. Sind die Kollegen deswegen
dümmer als ich, oder bin ich weitaus schlauer als viele andere Menschen?
Zumindest sind die Kollegen überhaupt nicht dümmer als ich, vielleicht habe ich
nur ein paar mehr FLOPS (Floating Point Operations per Second, also die
Maßeinheit zur Berechnung der Leistungsfähigkeit von Computern) aufgrund
stärkerer neuraler Verknüpfungen als sie. Jedoch haben meine Kollegen aus dem
Kurs andere Fähigkeiten und weitaus mehr Erfahrungen. Da wäre es für mich als
junger Spund ein Einfaches, auf die vermeintliche Unterlegenheit älterer
Menschen hinzuweisen. Denn dem ist nicht so. Es ist nicht nur so, dass ältere
Kollegen über mehr Erfahrungen verfügen. Sondern es ist so, dass es älteren
Menschen nicht so einfach gemacht wird, intelligent zu sein.
Die Formel zur Ermittlung des
Intelligenzquotienten setzt sich folgendermaßen zusammen:
Eine schöne, aber viel
zu einfache Formel. Die 100 kann man streichen, weil sie vollkommen überflüssig
ist. Und dann erkennt man, dass der Bruch aus Intelligenzalter und Lebensalter
einen Grenzwert erreicht, je älter man wird. Stellen wir uns folgende zwei
Szenarien vor:
1. Ein Kind im
Alter von einem Jahr kann lesen, schreiben und rechnen. Das ist sicherlich
verdammt schlau. Um das zu überprüfen, führen wir mit dem Kind einen
Intelligenztest durch. Es löst alle Aufgaben richtig und erreicht damit volle
Punktzahl mit einem angenommen Intelligenzalter von 300 Jahren. Laut Intelligenzformel
betrüge der IQ 30000. Wahnsinn!
2. Ein Mann im Alter von 60
Jahren kann natürlich lesen, schreiben und rechnen. Damit gilt er nicht als
sonderlich schlau. Trotzdem will er einen Intelligenztest machen, um sich zu
messen. Er löst ebenfalls alle Aufgaben richtig und erreicht damit genauso volle
Punktzahl mit einem angenommenen Intelligenzalter von 300 Jahren. Doch sein IQ betrüge in diesem Fall bloß 500. Das
ist im Vergleich zum einjährigen Kind verdammt schlecht, obwohl beide Personen
die Aufgaben richtig lösten.
Sind damit Intelligenztests
altersdiskriminierend? Viel interessanter ist doch, ob die Lösungen aus den
aktuellen Tests auch in Zukunft bei fortschreitender Intelligenz stimmten. Wer
weiß, ob nicht 1+1=3 ist, anstatt 1+1=2. Schließlich basiert der mathematische
Induktionsbeweis nur auf der Annahme, dass 1+1=2 und folglich 1+2=3, 1+3=4 und
so weiter ergibt. Damit bewegt sich die klassische Mathematik mit ihrem
Induktionsbeweis auf dem gleichen Niveau wie der mittelalterliche Theologe und
Philosoph Anselm von Canterbury, der den vermeintlichen Gottesbeweis erbrachte.
Dieser ging ungefähr folgendermaßen: Wenn Gott alles geschaffen und allem
innewohnt, dann hat er auch das Gute geschaffen. Und ob nun gut oder böse,
alles entfaltet seine Wirkung. Und da wir gottgleich und damit gut sind, wird
alles gut und es gibt Gott. Dieser Mann hat ziemlich viel Energie darauf verschwendet,
einen Beweis zu erbringen, der in sich nicht geschlossen war. Das jedoch auf
eine ziemlich brillante Art und Weise. Vielmehr sollte Anselm von Canterbury
froh sein, dass Gott noch nicht gefunden wurde. Nicht auszumalen, zu welch
Desillusionierungen das in weiten Teilen der Menschheit führte. Da hilft dann
auch keine Theodizee mehr. Unsere Intelligenz brächte uns Menschen dann auch nicht
mehr weiter. Und selbst Gedächtnistrainingseinheiten würden überflüssig, weil
man nur noch schnell vergessen will.
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