Yoga ist eine alte indische
Philosophielehre, bei der man den Körper anspannt, um eine Einheit mit dem
Geist zu bilden. Dazu gibt es viele verschiedene Stellungen. So etwa die
Baumstellung, bei der man beispielsweise auf dem linken Bein steht, die Arme
nach oben streckt und das rechte Bein anwinkelt, damit der dessen Fuß ans linke
Knie gestellt werden kann. Diese Stellung heißt auch Vriksasana und ist eine
ruhende Körperstellung. Tolle Übung! Schließlich beinhaltet Yoga so viele
Lebensweisheiten, die sich einem Laien nicht erschließen. Doch eins ist
zumindest klar: Auch wenn man nur auf dem linken Bein steht, findet man seine
innere Mitte. Vielen Politikern ist das nicht bewusst. Und ganz besonders denen
in den oberen Positionen der SPD.
Es ist erst weniger Tage her,
dass die Bremer Sozialdemokratie bei der Bürgerschaftswahl 2015 ihr
schlechtestes Ergebnis einfuhr. Sie holte bloß 32,8 Prozent. Mit solch einem
schlechten Ergebnis rühmt sich die brandenburgische SPD noch als Brandenburg-Partei,
doch die Bremer Genossen stehen in einer ganz anderen Tradition. Ihnen reichen
nicht rund ein Drittel der abgegebenen Stimmen. Und das ist ganz verständlich,
wenn man bedenkt, welche Ergebnisse die bremische SPD früher so einfuhr. Im Jahr 1971 holte die SPD bei der Bürgerschaftswahl in Bremen sagenhafte 55,3 Prozent. Die CDU konnte die SPD in Bremen niemals überflügeln. So lag die CDU beispielsweise im Jahr 1951 sogar hinter der FDP, weil sie lediglich 9,0
Prozent einfuhr. Aber solch gute Zeiten sind mittlerweile passé. So lag die
Wahlbeteiligung 1951 bei 83,8 Prozent und 1971 bei 80,0 Prozent. Bei der
diesjährigen Bürgerschaftswahl lag die Wählerquote bei 50,1 Prozent.
Zwar weiß die bremische SPD noch nicht,
wo sie ihre Stimmen verloren hat. Jedoch sollte sie es wissen. Nämlich bei den
Nichtwählern. Weil sich die SPD ständig neu auf den Weg der vermeintlich
politischen Mitte begibt, verrät sie ihre treusten Wähler. Dass die SPD ihre
treusten Wähler verprellt, scheint ihr allerdings nicht bewusst zu sein. Man
stelle sich nur vor, welch ein Ergebnis die SPD am letzten Sonntag eingefahren
hätte, wenn die Wählerquote auf vergleichbarem Niveau wie in den 1970ern
gelegen hätte. In diesem Fall läge das Ergebnis der Bremer SPD ungefähr bei 63,0
Prozent.
Doch leider hat sich die SPD
entsozialdemokratisiert, indem sie auf dem Weg in die vermeintlich politische
Mitte bürgerlich-konservative Positionen bezog und damit ihre klassischen
Wählerschichten aufgab. Es sind nämlich die Nicht-Wähler, die eigentlich eine
besondere Aufmerksamkeit der Politik bedürften. Nicht damit sie an die
Wahlurnen gehen, sondern weil sie sonst noch weiter sozial abgehängt werden. So wählen die sozial schwachen und geringer gebildeten Mitbürger immer weniger. Um
ihr Interesse aber zu wecken, bedarf es endlich sozialdemokratischer Politik.
Vielleicht sollten die führenden
SPD-Genossen endlich Yoga ausprobieren, indem sie sich auf ihr linkes Bein
stellen und versuchen ihre Mitte zu finden. Hoffentlich erkennen sie dann, dass
man auch mit einem linken Standbein und ohne Flügel, politische Stärke gewinnen
kann.
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