Donnerstag, 14. Mai 2015

Das bremische Wahlergebnis und die Suche nach der politischen Mitte



Yoga ist eine alte indische Philosophielehre, bei der man den Körper anspannt, um eine Einheit mit dem Geist zu bilden. Dazu gibt es viele verschiedene Stellungen. So etwa die Baumstellung, bei der man beispielsweise auf dem linken Bein steht, die Arme nach oben streckt und das rechte Bein anwinkelt, damit der dessen Fuß ans linke Knie gestellt werden kann. Diese Stellung heißt auch Vriksasana und ist eine ruhende Körperstellung. Tolle Übung! Schließlich beinhaltet Yoga so viele Lebensweisheiten, die sich einem Laien nicht erschließen. Doch eins ist zumindest klar: Auch wenn man nur auf dem linken Bein steht, findet man seine innere Mitte. Vielen Politikern ist das nicht bewusst. Und ganz besonders denen in den oberen Positionen der SPD.

Es ist erst weniger Tage her, dass die Bremer Sozialdemokratie bei der Bürgerschaftswahl 2015 ihr schlechtestes Ergebnis einfuhr. Sie holte bloß 32,8 Prozent. Mit solch einem schlechten Ergebnis rühmt sich die brandenburgische SPD noch als Brandenburg-Partei, doch die Bremer Genossen stehen in einer ganz anderen Tradition. Ihnen reichen nicht rund ein Drittel der abgegebenen Stimmen. Und das ist ganz verständlich, wenn man bedenkt, welche Ergebnisse die bremische SPD früher so einfuhr. Im Jahr 1971 holte die SPD bei der Bürgerschaftswahl in Bremen sagenhafte 55,3 Prozent. Die CDU konnte die SPD in Bremen niemals überflügeln. So lag die CDU beispielsweise im Jahr 1951 sogar hinter der FDP, weil sie lediglich 9,0 Prozent einfuhr. Aber solch gute Zeiten sind mittlerweile passé. So lag die Wahlbeteiligung 1951 bei 83,8 Prozent und 1971 bei 80,0 Prozent. Bei der diesjährigen Bürgerschaftswahl lag die Wählerquote bei 50,1 Prozent.

Zwar weiß die bremische SPD noch nicht, wo sie ihre Stimmen verloren hat. Jedoch sollte sie es wissen. Nämlich bei den Nichtwählern. Weil sich die SPD ständig neu auf den Weg der vermeintlich politischen Mitte begibt, verrät sie ihre treusten Wähler. Dass die SPD ihre treusten Wähler verprellt, scheint ihr allerdings nicht bewusst zu sein. Man stelle sich nur vor, welch ein Ergebnis die SPD am letzten Sonntag eingefahren hätte, wenn die Wählerquote auf vergleichbarem Niveau wie in den 1970ern gelegen hätte. In diesem Fall läge das Ergebnis der Bremer SPD ungefähr bei 63,0 Prozent.

Doch leider hat sich die SPD entsozialdemokratisiert, indem sie auf dem Weg in die vermeintlich politische Mitte bürgerlich-konservative Positionen bezog und damit ihre klassischen Wählerschichten aufgab. Es sind nämlich die Nicht-Wähler, die eigentlich eine besondere Aufmerksamkeit der Politik bedürften. Nicht damit sie an die Wahlurnen gehen, sondern weil sie sonst noch weiter sozial abgehängt werden. So wählen die sozial schwachen und geringer gebildeten Mitbürger immer weniger. Um ihr Interesse aber zu wecken, bedarf es endlich sozialdemokratischer Politik.

Vielleicht sollten die führenden SPD-Genossen endlich Yoga ausprobieren, indem sie sich auf ihr linkes Bein stellen und versuchen ihre Mitte zu finden. Hoffentlich erkennen sie dann, dass man auch mit einem linken Standbein und ohne Flügel, politische Stärke gewinnen kann.

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