Freitag, 22. Mai 2015

Über den Sex der Frau im aktuellen SPIEGEL (21/2015)



Gott sei Dank war diese Woche Streik bei der Post. Dadurch wurde mein SPIEGEL mit Verzögerung ausgeliefert. Und noch nie war mir es derartig egal, wann die Ausgabe kommt, solange sie irgendwann ausgeliefert wird. In der SPIEGEL-Titelgeschichte ging es nämlich um den Sex der Frau und dazu hieß es: „Mein Sex! Selbstbewusst, mutig, tabulos: Forscher vermessen die Lust der Frau“. Für viele Mitmenschen mag dieser Titel sicherlich sehr reizvoll gewesen sein, weswegen sie sich diese Ausgabe klammheimlich beim übernächsten Kiosk um die Ecke gekauft haben, um von Nachbarn, Freunden, Familie oder Kollegen nicht entdeckt zu werden. Denn so schlau sind sie vermutlich beim Kauf des Playboy-Magazins ebenfalls. Viele Unterschiede zwischen dem SPIEGEL und dem Playboy scheint es ja nicht mehr zu geben. Und die Erklärung für die Annäherung des SPIEGELs an den Playboy ist auch ziemlich nahliegend. Die Zahlen belegen es sehr gut. Einen großen Dank an das Statistische Bundesamt, das sich dafür nicht zu schade ist, die Auflage des Playboy-Magazins zu ermitteln. Und so erkennt man, dass die Playboy-Auflage trotz regelmäßiger Höhen und Tiefen vergleichsweise stabil ist. Auf die Frage nach dem Grund für den Erwerb des Heftes führen die Konsumenten des Playboys vermutlich die guten, gelungenen Witze im Playboy an. Und das ist es! Der Playboy schafft Kundenbindung durch seine humorvollen Inhalte. Deshalb bleiben die Kunden dem Playboy einigermaßen treu!

Und deshalb zwei Ratschläge an den SPIEGEL:

1. Ein Playboy-Magazin gibt es bereits in Deutschland. Folglich bedarf es keines weiteren Konkurrenten. Also bitte keine schlechten Witze mehr.

2. Kundenbindung erfolgt durch das Bedienen von Gewohnheiten und Stereotypen. Der SPIEGEL ist vornehmlich ein politisches Magazin. Es erscheint wöchentlich mit neuen Aufmachern aus den unterschiedlichsten Bereichen, die das alltägliche Leben der Bundesbürger beeinträchtigen. Das spielt in die Bereiche Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Ausland, Kultur und Medien. Der Sex der Frau beeinträchtigt die Bundesbürger allerdings nicht. Dessen sollte sich die SPIEGEL-Redaktion wieder bewusst werden.

Vermutlich hat der SPIEGEL einfach Angst, dass die Auflagenzahl weiter sinkt. Das ist verständlich. Und wenn man so die Meinungen der SPIEGEL-Leser liest, wird einem einiges klar. Ressortleiter Cordt Schnibben beschrieb, dass manche Leser den SPIEGEL mittlerweile für zu rechts oder zu links halten. Doch war der SPIEGEL jemals links oder rechts? Ist es ein Artikel, bloß weil er gut recherchiert und kritisch ist? Wohl kaum!

Insofern bin ich froh, wenn ich am Freitag, dem 12. Juni 2015, zum Leserdinner bei Cordt Schnibben bin und dort SPIEGEL-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer sowie Schnibben in einer sachlichen Diskussion meine Meinung offenlegen kann. Schnibben hat jedenfalls einen sehr guten Weg eingeschlagen, indem er fortan im Vorfeld einen Gedankenaustausch mit den Lesern startet. Vielleicht hätten das auch die zahlreichen Redakteure – und ganz besonders die weiblichen von ihnen – vor Drucklegung des SPIEGELs machen sollen.

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