Gott sei Dank war diese Woche
Streik bei der Post. Dadurch wurde mein SPIEGEL mit Verzögerung ausgeliefert.
Und noch nie war mir es derartig egal, wann die Ausgabe kommt, solange sie
irgendwann ausgeliefert wird. In der SPIEGEL-Titelgeschichte ging es nämlich um
den Sex der Frau und dazu hieß es: „Mein Sex! Selbstbewusst, mutig, tabulos: Forscher vermessen die Lust der Frau“. Für viele Mitmenschen mag dieser Titel
sicherlich sehr reizvoll gewesen sein, weswegen sie sich diese Ausgabe
klammheimlich beim übernächsten Kiosk um die Ecke gekauft haben, um von
Nachbarn, Freunden, Familie oder Kollegen nicht entdeckt zu werden. Denn so
schlau sind sie vermutlich beim Kauf des Playboy-Magazins ebenfalls. Viele
Unterschiede zwischen dem SPIEGEL und dem Playboy scheint es ja nicht mehr zu
geben. Und die Erklärung für die Annäherung des SPIEGELs an den Playboy ist
auch ziemlich nahliegend. Die Zahlen belegen es sehr gut. Einen großen Dank an
das Statistische Bundesamt, das sich dafür nicht zu schade ist, die Auflage des
Playboy-Magazins zu ermitteln. Und so erkennt man, dass die Playboy-Auflage trotz regelmäßiger Höhen und Tiefen vergleichsweise stabil ist. Auf die Frage
nach dem Grund für den Erwerb des Heftes führen die Konsumenten des Playboys vermutlich
die guten, gelungenen Witze im Playboy an. Und das ist es! Der Playboy schafft
Kundenbindung durch seine humorvollen Inhalte. Deshalb bleiben die Kunden dem
Playboy einigermaßen treu!
Und deshalb zwei Ratschläge an
den SPIEGEL:
1. Ein Playboy-Magazin gibt es
bereits in Deutschland. Folglich bedarf es keines weiteren Konkurrenten. Also
bitte keine schlechten Witze mehr.
2. Kundenbindung erfolgt durch
das Bedienen von Gewohnheiten und Stereotypen. Der SPIEGEL ist vornehmlich ein
politisches Magazin. Es erscheint wöchentlich mit neuen Aufmachern aus den
unterschiedlichsten Bereichen, die das alltägliche Leben der Bundesbürger
beeinträchtigen. Das spielt in die Bereiche Politik, Gesellschaft, Wirtschaft,
Ausland, Kultur und Medien. Der Sex der Frau beeinträchtigt die Bundesbürger
allerdings nicht. Dessen sollte sich die SPIEGEL-Redaktion wieder bewusst
werden.
Vermutlich hat der SPIEGEL
einfach Angst, dass die Auflagenzahl weiter sinkt. Das ist verständlich. Und wenn
man so die Meinungen der SPIEGEL-Leser liest, wird einem einiges klar.
Ressortleiter Cordt Schnibben beschrieb, dass manche Leser den SPIEGEL mittlerweile für zu rechts oder zu links halten. Doch war der SPIEGEL jemals
links oder rechts? Ist es ein Artikel, bloß weil er gut recherchiert und
kritisch ist? Wohl kaum!
Insofern bin ich froh, wenn ich
am Freitag, dem 12. Juni 2015, zum Leserdinner bei Cordt Schnibben bin und dort
SPIEGEL-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer sowie Schnibben in einer sachlichen
Diskussion meine Meinung offenlegen kann. Schnibben hat jedenfalls einen sehr
guten Weg eingeschlagen, indem er fortan im Vorfeld einen Gedankenaustausch mit
den Lesern startet. Vielleicht hätten das auch die zahlreichen Redakteure – und
ganz besonders die weiblichen von ihnen – vor Drucklegung des SPIEGELs machen
sollen.
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