Sonntag, 6. August 2017

Protest und Gewalt und ihre Verhältnismäßigkeit



Der G20-Gipfel in Hamburg 2017 ist seit einem Monat vorüber. Trotzdem geistert er immer noch durch die Medien. Eins ist klar, der Gipfel brachte keinen Segen, sondern nur viel Zerstörung. Doch lässt sich diese Zerstörungswut bei der weltweiten Ungerechtigkeit rechtfertigen? Nein! Und was brachten die friedlichen Proteste? Nichts! Doch warum? Und waren die friedlichen Proteste und die zerstörerische Gewalt wirklich links?


Um gegen die in den Himmel schreiende Ungerechtigkeit in der Welt zu kämpfen entschlossen sich zahlreiche Menschen zu friedlichen Demonstrationen. Diese waren sicherlich gut organisiert und toll inszeniert. Doch weder die friedlichen Proteste, noch die Gewaltausschreitungen waren links.

Links bedeutet die Hinwendung der Gesellschaft zum Individuum durch gemeinschaftliche Anstrengungen, um jeden einzelnen Menschen in seinen Grundbedürfnissen und darüber hinaus gerecht zu werden. Doch darauf wirkten weder die sanftmütigen Yoga-Gruppenmeditationen noch das Global Citizen Festival hin. Schließlich standen diese Aktionen für jeden offen, was erst einmal begrüßenswert ist. Doch an dem Konzert von Coldplay hätten sowohl die vermeintlich linke Aktivistin Jutta Ditfurth als auch der CDU-Bundestagsabgeordnete und G20-Befürworter Wolfgang Bosbach teilnehmen können. Ein tolles Konzert für lau? Darüber lachen doch die Potentaten dieser Welt. Zu hoffen bleibt nur, dass nur die Künstler auf ihre Gage verzichtet haben und nicht der Packer auf seinen Lohn verzichten musste. Und wofür steht überhaupt Yoga außer der inneren Ausgeglichenheit? Insofern ist ein lockeres Sammelsurium aus Yoga, Rock-Musik, Veganismus, Feminismus, Naturschutz und dergleichen noch längst nicht links.

Und genauso wenig links wie die beschriebenen Proteste waren die Gewaltexzesse. Weder Sozialismus, noch Kommunismus, noch Anarchismus bejahen die Zerstörung von Privateigentümern unbescholtener Mitmenschen. Schließlich trägt der einfache Mensch, der jeden Tag für sein Überleben kämpft, keine Schuld an den Missständen in dieser Welt. Insofern gibt es keine Entschuldigung für brennendes Privateigentum. Und so lassen sich die martialen Protestierer nur mit Hooligans gleichsetzen.

Und auch wenn der Kommunismus oder andere Ideologien die unverzügliche Begleichung der materiellen Verluste verspräche, lassen sich Zerstörungen von sentimental behafteten Gütern nicht begleichen. Insofern war die Zerstörungswut der vermeintlichen Protestler in Hamburg nur Wasser auf die Mühlen aller rechten, bürgerlichen und konservativen Politiker, die seit jeher behaupten, dass der Staat auf seinem linken Auge blind sei. Dabei ist die Staatsgewalt keineswegs auf dem linken Auge blind, sondern vielmehr auf dem rechten. Das belegen die Hausdurchsuchungen der Linken-Büros vom 19. Februar 2011 in Dresden sowie die frühere Überwachung Bodo Ramelows durch den Verfassungsschutz. Dagegen steht das Versagen der Staatsgewalt bei den Verbrechen der rechtsextremen NSU-Terrorgruppe.

Diese Ungerechtigkeit im Vorgehen der Staatsgewalt lässt sich durch die verschiedenen Weltanschauungen der tatsächlichen Linken und der Rechten begründen. Während die Linke das bundesrepublikanische System mehrheitlich gänzlich infrage stellt, stehen die Nazis dem System nicht vollständig feindlich gegenüber.

Doch wie lassen sich effektvolle Proteste umsetzen und bewerkstelligen? Dazu muss man feststellen, dass die Mehrheit der friedlichen Demonstranten und der Steine werfenden Hooligans kein Systemwechsel wünscht. Sie wollen lediglich kleine Schönheitskorrekturen am System. Und zwar einen Kapitalismus mit menschlicherem Antlitz. Das wäre zwar ein kleiner, aber zumindest wunderbarer Fortschritt.
In der Geschichte der Massenbewegung zeigten sich Proteste als erfolgreich, die seitens der Protestierer friedlich und auf Seiten der Obrigkeit gewalttätig waren. Dabei provozierten die friedlichen Demonstranten die Machthaber zur Gewalt, was den Demonstranten Sympathien bescherte. Die Arbeiterbewegung in Europa ist dafür ein guter Beweis. Durch Streiks legten die Arbeiter ihre Arbeit nieder. Dadurch sah sich der Industrielle ungerechtfertigterweise veranlasst, mithilfe von Streikbrechern und martialer Gewalt gegen die streikende Arbeiterschaft vorzugehen. Auch bei Indiens Unabhängigkeitsbewegung war das der Fall. Beispiele hierfür finden sich im Jahr 1946, als bei friedlichen Protesten der indischen Unabhängigkeitsbewegung mehrere Tausend Inder getötet wurden. Seit Indiens Unabhängigkeit sind sogenannte Sit-ins ein probates Mittel, um gegen die Obrigkeit aufzubegehren. Und das erkannte ab Mitte der 1950 die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA und folgte dem indischen Beispiel. Und so weigerten sich die schwarzen US-Bürger ab 1955, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Beim Bloody Sunday 1965 wurden dann zahlreiche schwarze Aktivisten bei einem friedfertigen Marsch von der Staatsgewalt blutrünstig niedergeprügelt.

Man muss also bei Protest die Verhältnisse umkehren, um erfolgreich zu sein. Weder der Sturm auf die Bastille 1789, noch die Erstürmung des Winterpalais 1917 widerlegen das. Schließlich erfolgten diese Eroberungen ohne vergleichsweise großes Blutvergießen. Die Bastille und der Winterpalais wurden nämlich erst nachträglich zu symbolträchtigen Orten hochstilisiert.

Insofern sind bessere und effektivere Proteste beim nächsten Gipfel wünschenswert. Wie wäre es also anstelle eines Verzichts auf öffentliche Verkehrsmittel mit einer extensiven, im Vorfeld langfristig angelegten Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln mit einer Zirkulation beim Ein- und Ausstieg? Das bescherte den Verkehrsbetrieben zwar Gelder, obwohl sicherlich eh jeder Demonstrant im Vorfeld ein Tagesticket gekauft hat. Diese Aktion würde aber das Verkehrssystem zum Erliegen bringen. Dadurch wären dann die normalen Kunden zum Umstieg auf das Fahrrad, das Auto oder anderes gezwungen. Außerdem nähmen die Normalkunden horrende Verspätungen in Kauf. Diese Aktion führte sowohl zu einer Verstopfung der Straßen, als auch zu einer Beeinträchtigung des Wirtschaftslebens am jeweiligen Tagungsort. Und wenn man dann noch die Staatsgewalt zu einem ungerechtfertigten und unverhältnismäßigen Vorgehen brächte, wäre der Protest gewonnen.

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