Montag, 12. Januar 2015

Land zum Leben



Über die Weihnachtsfeiertage war ich ja in Mecklenburg-Vorpommern. Aus Nordrhein-Westfalen fuhr ich durch Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein, bis ich an meinem Ziel angelangt bin. Die Reise ist immer wieder aufs Neue interessant. Verlässt oder fährt man in Nordrhein-Westfalen ein, steht auf einer Tafel einzig und allein der Name des Landes mit dem Wappen. Genauso in Niedersachsen. Wenn ich mich nicht täusche, ist das auch in Bremen und Hamburg der Fall. Das Ganze ist ganz schnörkellos und ohne jedwede Aussageabsicht. Eigentlich schade. Mit einem Ausrufezeichen wäre das Schild ungemein aufgepeppt: „Niedersachsen!“ Das hat etwas. Aber egal, es geht ja immer auch noch schlimmer. Siehe Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.
 
In Schleswig-Holstein wird man mit einer Tafel begrüßt, auf der „Der echte Norden“ steht. Die Erfinder der Kampagne verfügen scheinbar über geringe Geographiekenntnisse. Zwar ragt Schleswig-Holstein aus Norddeutschland heraus wie ein ausgefahrener Mittelfinger oder ein erigierter Penis, doch ist Schleswig-Holstein damit nicht wirklich der echte Norden. Schließlich zieht Mecklenburg immer weiter nördlich, je östlicher man kommt. So liegt das Kap Arkona auf gleicher Höhe wie der nördlichste Punkt des Flusses Treene. Damit ist Kap Arkona nur wenige Meter südlicher als Flensburg, der nördlichsten Stadt Deutschlands. Deshalb ist Schleswig-Holstein eindeutig nicht der echte Norden, zumindest nicht allein.

Doch weitaus schlechter ist der Wahlspruch von Mecklenburg-Vorpommern. Nachdem im März 2014 der Spruch „MV tut gut“ in die Kritik geriet, gibt es nun einen neuen Slogan. Und zwar: „Land zum Leben“. Daran stoßen sich viele Leute, denn das Leben in Mecklenburg-Vorpommern beinhaltet damit nicht zwangsläufig Arbeit. Das kommt davon, wenn eine PR-Agentur ohne Bezug zu Mecklenburg-Vorpommern die Verantwortung dafür trägt. Die verantwortliche Agentur A&B One ist in Berlin angesiedelt und war schon bei „MV tut gut“ dabei.

Was jedoch bedeutet Leben? Münsters ehemalige Volkskunde-Professorin Ruth-E. Mohrmann mokierte sich einmal über den Werbeslogan „Wohnst Du noch, oder lebst Du schon?“ von IKEA. Denn Leben ist eigentlich eine niedrigere Tätigkeit als Wohnen. Schließlich leben Obdachlose auch, ohne dass sie wohnen, leider. Und wenn laut A&B One in Mecklenburg-Vorpommern allein das Leben und nicht das Wohnen oder das Arbeiten zählt, so ist das eine schlechte Imagekampagne. Zwar ist es geradezu himmlisch, wenn man nicht arbeiten muss. Es wirkt wie der Einzug in den himmlischen Garten Eden als das endgültige Fernziel eines Christen. Doch solche Gedanken muten deshalb allzu idealistisch an. Vielmehr erfolgt dagegen die Menschwerdung durch Produktion von Gütern und durch Handel damit. Mit dem neuen Wahlspruch degradiert A&B One die Mecklenburger und Pommern zu obdachlosen Untermenschen.
 
Viel schöner wirkt dagegen der Werbespruch von Baden-Württemberg. „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ Das zeugt von Selbstbewusstsein im Umgang mit seinen Stärken sowie Schwächen und beinhaltet außerdem auch Selbstironie.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen