Donnerstag, 11. Dezember 2014

Die Suche nach Männlichkeit



Am gestrigen Tag eilte ein Bericht durch das Internet, der ziemlich unglaubwürdig und unseriös anmutete. Der Beitrag stammt von +THE RESISTANCE , einem prorussischen Blogger. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn seine Propaganda nicht eine Mischung aus Lügen, Diffamierungen und Hetze wären. In dem Bericht bezieht sich der Schreiber auf einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 16. Oktober 2014,wonach sich ein Fallschirmjäger der Bundeswehr in den Dienst prorussischer Kräfte in der umkämpften Ostukraine gestellt haben soll. Die FAZ spricht allerdings auch nur von der Möglichkeit und verwies auf die Süddeutsche Zeitung (SZ) als Quelle. Beweise für das Überlaufen des 1991 in der Sowjetunion geborenen Hauptgefreiten lassen sich nicht lückenlos erbringen, genauso wenig wie die Entkräftung der Behauptung. Allerdings ist es gut denkbar, dass sich Bundesbürger an Kampfhandlungen innerhalb der umkämpften Gebiete der Ostukraine beteiligen. Sei es auf Seiten prorussischer Gruppierungen, oder sei es auf Seiten proukrainischer Verbände.

Solches Söldnertum ist derzeit vermutlich keine Einzelerscheinung. Seit den verbrecherischen Anschlägen vom 11. September 2001 erfuhr der islamisch motivierte Terrorismus, besonders das Qaida-Netzwerk, eine mediale Aufmerksamkeit, die eine Sympathiebewegung für die Terroristen mit sich brachte. Das führte auch allmählich zu Terrorismustourismus von Europäern, die sich den Fanatikern im Namen Gottes anschlossen und noch immer anschließen. Allerdings erst mit der Terrormiliz des Islamischen Staates (IS) schnellten die Zahlen deutscher und anderer europäischer Auswanderer in den Krieg an, um in Syrien, dem Irak, Libyen und anderen Regionen ihre Gewaltphantasien auszuleben.

Doch Söldner findet man nicht nur in den Reihen der Qaida, des IS oder in der Ostukraine. Auch Academi (ursprünglich Blackwater, zwischenzeitlich Xe) und andere kommerzielle Söldnertruppen griffen regelmäßig auf deutsche und andere ausländische Staatsbürger bei der Personalgewinnung zurück, wie Jeremy Scahill in seinem Buch „Blackwater“ und Franz Hutsch in „Exportschlager Tod“ bewiesen. Blackwater und andere Militärunternehmen stiegen im Zuge des Irakkrieges 2003 auf, um die Todeszahlen von US-Soldaten geringzuhalten und den Krieg zu outsourcen. Nur sehr schwierig konnten bundesdeutsche Sicherheitsbeamte an Flughäfen deutsche Söldner ausmachen. Das mag nur ein Grund für deren geringe Bedeutungsbeimessung gewesen sein. Außerdem galten diese Söldner irgendwo zu gern als gute Kämpfer.

Doch ein solches Phänomen der Kampfbereitschaft existierte bereits früher in Deutschland und anderen europäischen Ländern, doch damals gab es keine großen internationalen Verstrickungen. Um Macht und Allmachtsphantasien zu frönen, schlossen sich gewaltbereite Bundesbürger den neonazistischen Gruppen, Hooligans und/oder Rockerbanden sowie anderen zwielichtigen Gestalten an. Demnach sind Frank Hanebuth, Rudolf „Django“ Triller und Rayk Freitag von den Hells Angels sowie Peter Maczollek und Leslav „Les“ Hause von den Bandidos bloß gewaltbereite Armchair-Krieger. Und die Anhänger von HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten) sowie PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) könnte man allzu leichtfertig als gewaltbereite Biedermänner abtun. Doch deren Bedeutung wird oftmals unterschätzt. Der ehemalige Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) Jörg Ziercke behauptete in einem kürzlich geführten SPIEGEL-Interview, dass es nur Zufall sei, ob sich gewaltbreite Menschen den Neonazis oder den islamisch motivierten Terroristen anschlössen.

Bei diesem Hang zur Gewaltbereitschaft mancher Bundesbürger könnte man leicht von männlichem Testosteronüberschuss ausgehen. Doch das wäre zu kurz gegriffen. Schließlich ziehen auch liebend gern Frauen in den vermeintlichen Jihad. Ein weiterer Trugschluss in der Ursachenbetrachtung ist auch zu glauben, dass die Emanzipation von Frauen in Deutschland und anderen Ländern ihren Teil dazu beiträgt. Doch die Auslebung der vermeintlichen Männlichkeit im Kampf ist vielmehr ein Resultat tiefer sozialer Unzufriedenheit. Die Ursache liegt also in der mangelnden Teilhabe und der geringen Integrationskraft in der Bundesrepublik und anderer Staaten begründet. Das ist schade, allerdings kein Grund für die Beteiligung an kriegerischen Handlungen.

Mit einer Waffe in der Hand fühlt sich jeder Mensch stark und wähnt sich in Männlichkeit und Stärke. Da passt es schlecht, dass die OECD regelmäßig der Bundesrepublik eine größer werdende Schere zwischen Arm und Reich bescheinigt. Außerdem ist davon auszugehen, dass in nächster Zeit die Anzahl kriegerischen Auseinandersetzungen nicht abreißen wird. Zumal sich Russland und die Europäische Union immer fremder zu werden scheinen, weshalb beide Parteien ihr Augenmerk auf den Balkan sowie auf die gemeinsame Grenze wie etwa Bulgarien richten werden. Und damit besteht zu befürchten, dass sich immer mehr Bundesbürgern nach ihrem jeweiligen Gusto einen persönlichen Krieg aussuchen werden. Begünstigend für diese kriegslüsternen Bundesbürger kommt hinzu, dass die Welt kleiner wurde und selbst entfernteste Regionen mittlerweile einfach und günstig zu erreichen sind. So ist es auch denkbar, dass sich ideologisch irrlichternde Anhänger der DKP oder der MLPD den entideologisierten Farc-Rebellen in Kolumbien anschließen, solange kein erfolgreicher Friedensvertrag zwischen den Rebellen und dem kolumbianischen Staat auf Kuba erzielt worden ist.

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