Am gestrigen Dienstag, dem 17.
März 2015, war es wieder einmal so weit. In Israel wurde gewählt. Alle
Aufmerksamkeit richtete sich auf den Wahlausgang. Wird Benjamin Netanjahu vom säkular-rechtskonservativen
Likud-Block gewinnen, oder aber Jitzchak Herzog vom vermeintlich linksliberalen
Wählerbündnis „Zionistische Union“? Heute wurde bekannt, dass Netanjahu gewonnen
hat. Doch das ist eigentlich egal. Schließlich findet man den Wahlausgang bei
Tagesschau und SPIEGEL schneller. Dafür sind solche Medien ja halt auch da.
Viel spannender ist der biographische
Hintergrund von Netanjahu und Herzog. Beide sind ehemalige Offiziere von
militärischen Sondereinheiten. Netanjahu diente als Hauptmann in der Einheit „Sajeret Matkal“ und Herzog in der „Unit 8200“ (sprich: Acht Zweihundert) als Major. Die
„Unit 8200“ ist vergleichbar mit der US-amerikanischen NSA oder dem britischen
GCHQ.
Doch solche Biographien kommen
nicht von ungefähr. In seinem Buch „1967.Israels zweite Geburt“ sprach der
Historiker Tom Segev von den Befürchtungen in westlichen Geheimdienstkreisen,
dass regelmäßig ein Putsch der israelischen Armee zu befürchten wäre. Zumindest
kam es bislang nicht so. Das brauchte es auch nicht, denn israelische Militärs
wechselten einfach in die Politik. Scheinbar gilt der Dienst als Offizier in
einer militärischen Spezialeinheit als hinlänglich ausreichende Qualifikation
für die israelische Politik.
Doch diese zeitgenössische
Entwicklung gab es bereits früher. Und das nicht erst mit Mosche Dajan, dem
ehemaligen israelischen Generalstabschef und späteren Außenminister. Dass sich
das Militärwesen als Grundlage für eine spätere politische Karriere herausbildete,
findet sich bereits in den Anfängen des Zionismus. Zionistische Siedler im
damaligen Cisjordanien organisierten sich je nach politischer Ausrichtung in
der „Hagana“, deren Unterorganisation „Palmach“, „Irgun“ oder „Lechi“, auch
Stern-Gruppe genannt. Die eher sozialistischen Kolonisten organisierten sich in
der „Hagana“ und „Palmach“ und standen der Arbeiterpartei unter Führung von
David Ben-Gurion nah, während sich die Mitglieder der rechtskonservativen
Organisationen „Irgun“ und „Lechi“ eher politisch durch den späteren
Likud-Block vertreten sahen.
Aus der „Hagana“ ging nach der
Unabhängigkeit Israels 1948 die israelische Armee hervor. Doch auch schon
damals kristallisierten sich aus diesen verschiedenen paramilitärischen
Einheiten spätere, bedeutende Politiker heraus.
In der „Palmach“ dienten nicht nur Mosche Dajan, sondern auch Jitzchak Rabin, friedensnobelpreisprämierter Premierminister
Israels.
In der „Haganah“: David Ben-Gurion (erster Premierminister Israels), Levi Eschkol (zweiter
Premierminister Israels), Jizchak Ben Zwi (Israels zweiter Staatspräsident), Chaim Herzog (sechster Staatspräsident Israels), Teddy Kollek (Bürgermeister von
Jerusalem) und Schimon Peres (neunter Staatspräsident Israels).
Und laut "Es war einmal ein Palästina.Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels" von Segev stammen aus der „Irgun“ Menachem Begin und aus „Lechi“ Jitzchak Schamir. Begin war der sechste und Schamir
der siebte Premierminister Israels.
Auch Politiker, die nach der
israelischen Unabhängigkeit Wehrdienst leisteten, mussten ihre militärischen Lorbeeren
verdienen, um in die Politik wechseln zu können. Die Grundvoraussetzung des
Wehrdienstes für einen Wechsel in die Politik liegt nicht allein an der
allgemeinen Wehrpflicht der männlichen und weiblichen Staatsbürger Israels
begründet. Schließlich gibt es wenige Ausnahmen in der Regelung. So brauchen beispielsweise
Orthodoxe und schwangere Frauen nicht in der Armee dienen. Allerdings geht in
der israelischen Gesellschaft die Verdienstverweigerung mit einer gewissen
Ächtung einher. Trotzdem entziehen sich mittlerweile viele israelische
Staatsbürger dem Wehrdienst, indem sie nach Europa, Kanada oder in die USA
auswandern. Das ist ebenfalls mit einer Ächtung verbunden, so Segev in „1967“. Immerhin
stört sich im Ausland keiner daran.
Doch trotz der allgemeinen
Wehrpflicht schafft es lediglich eine kleine Kaste in die Politik. Das sind
einerseits überwiegend Aschkenasim, also Juden europäischer Abstammung, aber
auch Offiziere israelischer Sondereinheiten. Wie etwa Benjamin Netanjahu oder Jitzchak
Herzog. Andere bekannte Beispiele hierfür sind die ehemaligen israelischen
Regierungschefs Ehud Barak (ehemaliger Stabschef und Kommandeur der Mossad-Sondereinheit „Caesarea“) und Ariel Scharon (ehemaliger General und Mitglied der Spezialeinheit 101). Bloß Ehud Olmert stellt eine kleine Ausnahme dar, weil er in der Golani-Brigade diente und erst im Jom-Kippur-Krieg als
Kriegsberichterstatter in Ariel Scharons Stab diente. Doch selbst Tzipi Livni,
die ewige Zweite in der israelischen Politik, diente als Leutnant in der
israelischen Armee und später beim Mossad in der „Caesarea“-Einheit.
Diese enge Verknüpfung aus
Militär und Politik verdeutlicht sehr stark die Aussichtslosigkeit im
Nahostkonflikt. Denn die Schaffung von Frieden ist in Israel keine Frage
zwischen dem linken oder dem rechten Lager. Schließlich stammen Israels
führende Politiker allesamt aus dem Militär. Und nur ungern geben Soldaten kampflos
Gebiete auf. Da nützen auch Jitzchak Herzogs Bekenntnisse zur
Zwei-Staaten-Lösung nichts. Im SPIEGEL-Interview waren diese auch sehr schwammig.
Und so gestaltet sich die Politik
in Israel nach der Frage, wie offen und ehrlich mit Palästina umgegangen werden
soll. Der Likud unter Netanjahu entschied sich kurz vor der letzten Wahl für
eine klare Ablehnung eines eigenverantwortlichen und selbständigen Palästinas,
während sich das zionistische Lager um Jitzchak Herzog und Livni sich auf die
Frage nach einem Palästinenser-Staat eher geschickt wegduckten. Dabei ist längst
davon auszugehen, dass sämtliche arabische Regierungen trotz großer Abneigungen
den Staat Israel als historisches Faktum anerkannt haben. Israel ist nach fast
70 Jahren nicht mehr aus den Nahen Osten wegzudenken. Doch scheinbar dient der
Glaube an die arabische Ablehnung Israels als bloße Legitimation für die
israelische Besetzung des Westjordanlandes mit ihren schlimmen Folgen in der
Siedlungspolitik.