Donnerstag, 19. März 2015

Israelische Militärs in der Politik



Am gestrigen Dienstag, dem 17. März 2015, war es wieder einmal so weit. In Israel wurde gewählt. Alle Aufmerksamkeit richtete sich auf den Wahlausgang. Wird Benjamin Netanjahu vom säkular-rechtskonservativen Likud-Block gewinnen, oder aber Jitzchak Herzog vom vermeintlich linksliberalen Wählerbündnis „Zionistische Union“? Heute wurde bekannt, dass Netanjahu gewonnen hat. Doch das ist eigentlich egal. Schließlich findet man den Wahlausgang bei Tagesschau und SPIEGEL schneller. Dafür sind solche Medien ja halt auch da.

Viel spannender ist der biographische Hintergrund von Netanjahu und Herzog. Beide sind ehemalige Offiziere von militärischen Sondereinheiten. Netanjahu diente als Hauptmann in der Einheit „Sajeret Matkal“ und Herzog in der „Unit 8200“ (sprich: Acht Zweihundert) als Major. Die „Unit 8200“ ist vergleichbar mit der US-amerikanischen NSA oder dem britischen GCHQ.

Doch solche Biographien kommen nicht von ungefähr. In seinem Buch „1967.Israels zweite Geburt“ sprach der Historiker Tom Segev von den Befürchtungen in westlichen Geheimdienstkreisen, dass regelmäßig ein Putsch der israelischen Armee zu befürchten wäre. Zumindest kam es bislang nicht so. Das brauchte es auch nicht, denn israelische Militärs wechselten einfach in die Politik. Scheinbar gilt der Dienst als Offizier in einer militärischen Spezialeinheit als hinlänglich ausreichende Qualifikation für die israelische Politik.

Doch diese zeitgenössische Entwicklung gab es bereits früher. Und das nicht erst mit Mosche Dajan, dem ehemaligen israelischen Generalstabschef und späteren Außenminister. Dass sich das Militärwesen als Grundlage für eine spätere politische Karriere herausbildete, findet sich bereits in den Anfängen des Zionismus. Zionistische Siedler im damaligen Cisjordanien organisierten sich je nach politischer Ausrichtung in der „Hagana“, deren Unterorganisation „Palmach“, „Irgun“ oder „Lechi“, auch Stern-Gruppe genannt. Die eher sozialistischen Kolonisten organisierten sich in der „Hagana“ und „Palmach“ und standen der Arbeiterpartei unter Führung von David Ben-Gurion nah, während sich die Mitglieder der rechtskonservativen Organisationen „Irgun“ und „Lechi“ eher politisch durch den späteren Likud-Block vertreten sahen. 

Aus der „Hagana“ ging nach der Unabhängigkeit Israels 1948 die israelische Armee hervor. Doch auch schon damals kristallisierten sich aus diesen verschiedenen paramilitärischen Einheiten spätere, bedeutende Politiker heraus.

In der „Palmach“ dienten nicht nur Mosche Dajan, sondern auch Jitzchak Rabin, friedensnobelpreisprämierter Premierminister Israels.

In der „Haganah“: David Ben-Gurion (erster Premierminister Israels), Levi Eschkol (zweiter Premierminister Israels), Jizchak Ben Zwi (Israels zweiter Staatspräsident), Chaim Herzog (sechster Staatspräsident Israels), Teddy Kollek (Bürgermeister von Jerusalem) und Schimon Peres (neunter Staatspräsident Israels).

Und laut "Es war einmal ein Palästina.Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels" von Segev stammen aus der „Irgun“ Menachem Begin und aus „Lechi“ Jitzchak Schamir. Begin war der sechste und Schamir der siebte Premierminister Israels.

Auch Politiker, die nach der israelischen Unabhängigkeit Wehrdienst leisteten, mussten ihre militärischen Lorbeeren verdienen, um in die Politik wechseln zu können. Die Grundvoraussetzung des Wehrdienstes für einen Wechsel in die Politik liegt nicht allein an der allgemeinen Wehrpflicht der männlichen und weiblichen Staatsbürger Israels begründet. Schließlich gibt es wenige Ausnahmen in der Regelung. So brauchen beispielsweise Orthodoxe und schwangere Frauen nicht in der Armee dienen. Allerdings geht in der israelischen Gesellschaft die Verdienstverweigerung mit einer gewissen Ächtung einher. Trotzdem entziehen sich mittlerweile viele israelische Staatsbürger dem Wehrdienst, indem sie nach Europa, Kanada oder in die USA auswandern. Das ist ebenfalls mit einer Ächtung verbunden, so Segev in „1967“. Immerhin stört sich im Ausland keiner daran.

Doch trotz der allgemeinen Wehrpflicht schafft es lediglich eine kleine Kaste in die Politik. Das sind einerseits überwiegend Aschkenasim, also Juden europäischer Abstammung, aber auch Offiziere israelischer Sondereinheiten. Wie etwa Benjamin Netanjahu oder Jitzchak Herzog. Andere bekannte Beispiele hierfür sind die ehemaligen israelischen Regierungschefs Ehud Barak (ehemaliger Stabschef und Kommandeur der Mossad-Sondereinheit „Caesarea“) und Ariel Scharon (ehemaliger General und Mitglied der Spezialeinheit 101). Bloß Ehud Olmert stellt eine kleine Ausnahme dar, weil er in der Golani-Brigade diente und erst im Jom-Kippur-Krieg als Kriegsberichterstatter in Ariel Scharons Stab diente. Doch selbst Tzipi Livni, die ewige Zweite in der israelischen Politik, diente als Leutnant in der israelischen Armee und später beim Mossad in der „Caesarea“-Einheit.

Diese enge Verknüpfung aus Militär und Politik verdeutlicht sehr stark die Aussichtslosigkeit im Nahostkonflikt. Denn die Schaffung von Frieden ist in Israel keine Frage zwischen dem linken oder dem rechten Lager. Schließlich stammen Israels führende Politiker allesamt aus dem Militär. Und nur ungern geben Soldaten kampflos Gebiete auf. Da nützen auch Jitzchak Herzogs Bekenntnisse zur Zwei-Staaten-Lösung nichts. Im SPIEGEL-Interview waren diese auch sehr schwammig.

Und so gestaltet sich die Politik in Israel nach der Frage, wie offen und ehrlich mit Palästina umgegangen werden soll. Der Likud unter Netanjahu entschied sich kurz vor der letzten Wahl für eine klare Ablehnung eines eigenverantwortlichen und selbständigen Palästinas, während sich das zionistische Lager um Jitzchak Herzog und Livni sich auf die Frage nach einem Palästinenser-Staat eher geschickt wegduckten. Dabei ist längst davon auszugehen, dass sämtliche arabische Regierungen trotz großer Abneigungen den Staat Israel als historisches Faktum anerkannt haben. Israel ist nach fast 70 Jahren nicht mehr aus den Nahen Osten wegzudenken. Doch scheinbar dient der Glaube an die arabische Ablehnung Israels als bloße Legitimation für die israelische Besetzung des Westjordanlandes mit ihren schlimmen Folgen in der Siedlungspolitik.

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