Sonntag, 22. Februar 2015

Der pseudo-linke Eigennutz der Studenten und die deutsche Wirtschaft



Dass Studenten links und progressiv seien, ist ein landläufiges Stereotyp. Viele Studenten würden in einem Gespräch ihre Fortschrittlichkeit auch nicht abstreiten. Ob nun Linke, SPD, Grüne, Union oder FDP, für alles findet sich ein schlaues Argument zur Rechtfertigung der Fortschrittlichkeit. Aufgrund des mageren philosophischen Unterbaus vieler Studenten fehlen ihnen allerdings die Argumente zur Entkräftung der Fortschrittlichkeit der FDP.

Jedoch finden sie andere schlaue Statements und Äußerung, um sich intellektuell zu fühlen. Als Gewerkschafter zählt man unter den Studenten zu den Konservativen. Doch was ist fortschrittlicher als der Kampf für eine faire Umverteilung zugunsten Benachteiligter? Das hat selbst Richard David Precht, der Heinrich August Winkler der Philosophie, noch nicht begriffen. So schrieb Precht im SPIEGEL (06/2015) den Essay „Wer ist konservativer?“ und unterstelle den Gewerkschaften eine konservative Haltung, weil sie Besitzstandswahrung betrieben. Precht setzte nämlich das Gegenteil von „konservativ“ mit „liberal“ gleich. Nach Prechts Auffassung ist jeder seines eigenes Glückes Schmied. Precht glaubt an den unaufhaltsamen Fortschritt der Liberalität zum Guten und verkennt dabei, dass Liberalität keine Werte kennt. Wenn alles seinen Preis hat, hat nichts seinen Wert, so zumindest Walter Ludin. Doch so ungefähr wie Precht funktionieren und argumentieren auch die heutigen Studenten, nur mit noch viel weniger in der Hinterhand.

So haben einige gelesen, dass Deutschland derzeit zu viel produziert und exportiert. Damit haben die Studenten natürlich absolut recht. Daraus leiten viele linke Studierende ab, dass die Lohnstückkosten in Deutschland massiv steigen müssten, um einen Ausgleich mit den europäischen Nachbarländern herbeizuführen. Mit solchen Thesen verkennen viele die tatsächlichen europäischen Umstände und argumentieren nur für ihren monetären Eigennutz, ohne selbst gewerkschaftlich engagiert zu sein. Schließlich kostet die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ja Geld, wofür man sich monatlich eine oder mehr Flaschen Pinot Grigio für mindestens fünf Euro kaufen könnte.
 
Zwar haben Bundesbank-Chef Jens Weidmann und EZB-Chef Mario Draghi ebenfalls gute Tarifabschlüsse erbeten, doch stoßen die Zentralbanker damit nicht ins gleiche Horn wie diese vermeintlich linken Studenten. Es gibt nämlich viele Aspekte, die vernachlässigt worden sind.

Die deutsche Volkswirtschaft ist nur ein Scheinriese. Viele deutsche Firmen schrauben lediglich Halbprodukte zusammen und stempeln dann das Label „Made in Germany“ drauf, wie es Hans-Werner Sinn belegte. Das zeugt von einem geringen Anteil deutscher Produktivkräfte an der Wertschöpfung und der Exportwirtschaft. Außerdem sind die Hauptabnehmer deutscher Produkte die europäischen Nachbarländer. Gleichzeitig existiert der gemeinsame europäische Binnenmarkt, weshalb die Geschichte vom Exporteuropameister mehr als hinfällig ist. Somit gibt es also keine Wechselkurse im Euro-Raum, die als Regulativ für Exportüberschüsse dienen könnten.

Deshalb gibt es nun die Mär von den Lohnerhöhungen. Doch was passierte bei enormen Lohnerhöhungen in Deutschland? Viele Unternehmen würden abwandern, obwohl sie mithilfe der Hartz-Reformen mühsam zurückgeholt worden sind. Das heißt aber nicht, dass ähnliche Reformen im europäischen Ausland ebenfalls sinnvoll wären. Denn damit wanderten ebenfalls die Unternehmen ab, was zu einer allgemein negativen Lohnentwicklung führte. Jedoch sorgte eine Verteuerung der deutschen Lohnstückkosten oder die Absenkung europäischer Lohnstückkosten ebenfalls nicht zum wirtschaftlichen Aufschwung in den südeuropäischen Ländern. Was könnten Griechen außer Olivenöl und Wein produzieren, was exportfähig wäre? Urlaub in Griechenland und griechische Reedereien lassen sich eben nicht exportieren. Und was ist mit Italien? Italien ist zweifellos industrialisiert. Neben Fiat gibt es kleinere, preisgünstige Haushaltswarenproduzenten. Diese sind allerdings derzeit nicht konkurrenzfähig. Somit griffen Kunden auch weiterhin auf Produkte von Siemens-Boch oder Miele zurück. Nur produzierten dann entweder deutsche Arbeiter die Waren kostengünstiger bei höherem Aufwand, oder aber die Exporte ins europäische Ausland brächen ein, weil sich kaum einer deutsche Waren leisten könnte. Manchmal kann man eben nur verlieren. Scheinbar gibt es auch ein negatives Catch-22, also eine Lose-Lose-Situation. Somit ist manchmal die Wahrung des Status quo das Beste, was man tun kann.

Viele Studenten schauen bei solchen Worten vollkommen entgeistert, sie sind jedoch ohne Gegenargument. Und die Erklärung, woran die europäische Misere tatsächlich liegt, verstehen viele erst gar nicht.

Der Euro-Raum krankt daran, dass die europäische Gemeinschaftswährung keinen einheitlich politischen Unterbau bei seiner Schaffung erhalten hat. Dadurch dass sich beispielsweise Griechenland und Italien so unkontrolliert und kostengünstig überschulden konnten, traf sie Bankenkrise 2010 vollends und beinah vernichtend. Während dieser Krise konnten die südeuropäischen Staaten keine Hilfsprogramme zur Ankurbelung der Konjunktur auflegen, sondern betrieben Sparmaßnahmen, weshalb die südeuropäischen Volkswirtschaften weiter in die Krise rutschten. Somit sind die geringen Löhne in Deutschland nicht schuld am wirtschaftlichen Niedergang Griechenlands, Italiens und anderer Staaten, obwohl die Bundesrepublik durchaus mehr Entgegenkommen zeigen könnte.
 
Aufgrund dieser südeuropäischen Misslage flüchten viele Anleger in den deutschen Markt. Das führte unter anderem zum Aufblähen des Deutschen Aktien-Index, der am Freitag, dem 13. Februar 2015, erstmals die Marke von 11.000 Punkten überschritt, obwohl der DAX erst ein halbes Jahr zuvor die 10.000-Marke erstmals überschritt. 

Viele Anleger glauben an die deutsche Wirtschaftsstärke und überfluten damit den deutschen Markt, doch dabei ist Deutschland gerade aufgrund seiner Hartz-Reformen nicht so stark, wie man landläufig glauben könnte. Durch die Hartz-Reformen wurden viele Menschen von den sozioökonomischen Entwicklungen abgeschnitten. Deshalb geht die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland immer stärker auseinander. Um Deutschland ins Wanken zu bringen, bedarf es somit nur vergleichbarer Reformen in anderen europäischen Staaten oder überzogene Lohnerhöhungen in Deutschland. Aber all diese Anleger blähen mit ihren Investitionen die deutsche Volkswirtschaft zu einem Scheinriesen auf.

Und sind somit unverhältnismäßig große Lohnerhöhungen bei einer vermeintlich starken Volkswirtschaft wie der Deutschen sinnvoll und richtig? Deshalb lieber auf Sicht fahren und abwarten, bis die europäische Einheit zumindest sozioökonomisch vollbracht ist. Dazu bedarf es nicht nur Reformen in Griechenland, sondern auch in Deutschland. Jedoch zählt das weitere Ausquetschen der Bürger nicht als Reformlösung.

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