Dass Studenten links und
progressiv seien, ist ein landläufiges Stereotyp. Viele Studenten würden in
einem Gespräch ihre Fortschrittlichkeit auch nicht abstreiten. Ob nun Linke,
SPD, Grüne, Union oder FDP, für alles findet sich ein schlaues Argument zur
Rechtfertigung der Fortschrittlichkeit. Aufgrund des mageren philosophischen
Unterbaus vieler Studenten fehlen ihnen allerdings die Argumente zur
Entkräftung der Fortschrittlichkeit der FDP.
Jedoch finden sie andere schlaue
Statements und Äußerung, um sich intellektuell zu fühlen. Als Gewerkschafter
zählt man unter den Studenten zu den Konservativen. Doch was ist
fortschrittlicher als der Kampf für eine faire Umverteilung zugunsten
Benachteiligter? Das hat selbst Richard David Precht, der Heinrich August
Winkler der Philosophie, noch nicht begriffen. So schrieb Precht im SPIEGEL (06/2015) den Essay „Wer ist konservativer?“ und unterstelle den Gewerkschaften
eine konservative Haltung, weil sie Besitzstandswahrung betrieben. Precht
setzte nämlich das Gegenteil von „konservativ“ mit „liberal“ gleich. Nach Prechts
Auffassung ist jeder seines eigenes Glückes Schmied. Precht glaubt an den
unaufhaltsamen Fortschritt der Liberalität zum Guten und verkennt dabei, dass
Liberalität keine Werte kennt. Wenn alles seinen Preis hat, hat nichts seinen
Wert, so zumindest Walter Ludin. Doch so ungefähr wie Precht funktionieren und
argumentieren auch die heutigen Studenten, nur mit noch viel weniger in der
Hinterhand.
So haben einige gelesen, dass Deutschland
derzeit zu viel produziert und exportiert. Damit haben die Studenten natürlich
absolut recht. Daraus leiten viele linke Studierende ab, dass die
Lohnstückkosten in Deutschland massiv steigen müssten, um einen Ausgleich mit
den europäischen Nachbarländern herbeizuführen. Mit solchen Thesen verkennen
viele die tatsächlichen europäischen Umstände und argumentieren nur für ihren
monetären Eigennutz, ohne selbst gewerkschaftlich engagiert zu sein.
Schließlich kostet die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ja Geld, wofür man
sich monatlich eine oder mehr Flaschen Pinot Grigio für mindestens fünf Euro
kaufen könnte.
Zwar haben Bundesbank-Chef Jens Weidmann und EZB-Chef Mario Draghi ebenfalls gute Tarifabschlüsse erbeten, doch
stoßen die Zentralbanker damit nicht ins gleiche Horn wie diese vermeintlich
linken Studenten. Es gibt nämlich viele Aspekte, die vernachlässigt worden
sind.
Die deutsche Volkswirtschaft ist
nur ein Scheinriese. Viele deutsche Firmen schrauben lediglich Halbprodukte
zusammen und stempeln dann das Label „Made in Germany“ drauf, wie es Hans-Werner
Sinn belegte. Das zeugt von einem geringen Anteil deutscher Produktivkräfte an
der Wertschöpfung und der Exportwirtschaft. Außerdem sind die Hauptabnehmer
deutscher Produkte die europäischen Nachbarländer. Gleichzeitig existiert der gemeinsame europäische Binnenmarkt, weshalb die Geschichte vom Exporteuropameister mehr als hinfällig ist. Somit gibt es also keine Wechselkurse im Euro-Raum, die
als Regulativ für Exportüberschüsse dienen könnten.
Deshalb gibt es nun die Mär von
den Lohnerhöhungen. Doch was passierte bei enormen Lohnerhöhungen in Deutschland?
Viele Unternehmen würden abwandern, obwohl sie mithilfe der Hartz-Reformen
mühsam zurückgeholt worden sind. Das heißt aber nicht, dass ähnliche Reformen
im europäischen Ausland ebenfalls sinnvoll wären. Denn damit wanderten
ebenfalls die Unternehmen ab, was zu einer allgemein negativen Lohnentwicklung
führte. Jedoch sorgte eine Verteuerung der deutschen Lohnstückkosten oder die
Absenkung europäischer Lohnstückkosten ebenfalls nicht zum wirtschaftlichen
Aufschwung in den südeuropäischen Ländern. Was könnten Griechen außer Olivenöl und
Wein produzieren, was exportfähig wäre? Urlaub in Griechenland und griechische Reedereien
lassen sich eben nicht exportieren. Und was ist mit Italien? Italien ist
zweifellos industrialisiert. Neben Fiat gibt es kleinere, preisgünstige
Haushaltswarenproduzenten. Diese sind allerdings derzeit nicht konkurrenzfähig.
Somit griffen Kunden auch weiterhin auf Produkte von Siemens-Boch oder Miele
zurück. Nur produzierten dann entweder deutsche Arbeiter die Waren
kostengünstiger bei höherem Aufwand, oder aber die Exporte ins europäische
Ausland brächen ein, weil sich kaum einer deutsche Waren leisten könnte.
Manchmal kann man eben nur verlieren. Scheinbar gibt es auch ein negatives
Catch-22, also eine Lose-Lose-Situation. Somit ist manchmal die Wahrung des
Status quo das Beste, was man tun kann.
Viele Studenten schauen bei
solchen Worten vollkommen entgeistert, sie sind jedoch ohne Gegenargument. Und
die Erklärung, woran die europäische Misere tatsächlich liegt, verstehen viele
erst gar nicht.
Der Euro-Raum krankt daran, dass
die europäische Gemeinschaftswährung keinen einheitlich politischen Unterbau
bei seiner Schaffung erhalten hat. Dadurch dass sich beispielsweise
Griechenland und Italien so unkontrolliert und kostengünstig überschulden
konnten, traf sie Bankenkrise 2010 vollends und beinah vernichtend. Während
dieser Krise konnten die südeuropäischen Staaten keine Hilfsprogramme zur
Ankurbelung der Konjunktur auflegen, sondern betrieben Sparmaßnahmen, weshalb
die südeuropäischen Volkswirtschaften weiter in die Krise rutschten. Somit sind
die geringen Löhne in Deutschland nicht schuld am wirtschaftlichen Niedergang
Griechenlands, Italiens und anderer Staaten, obwohl die Bundesrepublik durchaus
mehr Entgegenkommen zeigen könnte.
Aufgrund dieser südeuropäischen
Misslage flüchten viele Anleger in den deutschen Markt. Das führte unter
anderem zum Aufblähen des Deutschen Aktien-Index, der am Freitag, dem 13. Februar 2015, erstmals die Marke von 11.000 Punkten überschritt, obwohl der DAX
erst ein halbes Jahr zuvor die 10.000-Marke erstmals überschritt.
Viele Anleger glauben an die
deutsche Wirtschaftsstärke und überfluten damit den deutschen Markt, doch dabei
ist Deutschland gerade aufgrund seiner Hartz-Reformen nicht so stark, wie man
landläufig glauben könnte. Durch die Hartz-Reformen wurden viele Menschen von den
sozioökonomischen Entwicklungen abgeschnitten. Deshalb geht die Schere zwischen
Arm und Reich in Deutschland immer stärker auseinander. Um Deutschland ins
Wanken zu bringen, bedarf es somit nur vergleichbarer Reformen in anderen
europäischen Staaten oder überzogene Lohnerhöhungen in Deutschland. Aber all
diese Anleger blähen mit ihren Investitionen die deutsche Volkswirtschaft zu
einem Scheinriesen auf.
Und sind somit unverhältnismäßig
große Lohnerhöhungen bei einer vermeintlich starken Volkswirtschaft wie der
Deutschen sinnvoll und richtig? Deshalb lieber auf Sicht fahren und abwarten,
bis die europäische Einheit zumindest sozioökonomisch vollbracht ist. Dazu
bedarf es nicht nur Reformen in Griechenland, sondern auch in Deutschland.
Jedoch zählt das weitere Ausquetschen der Bürger nicht als Reformlösung.
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