Sonntag, 1. Februar 2015

Richard von Weizsäcker (1920-2015)



Am gestrigen Samstag, dem 31. Januar 2015, verstarb in Berlin Richard von Weizsäcker. Weizsäcker war der sechste Bundespräsident der Bundesrepublik und unbestritten verdienstvoll. Er stammte aus dem Umfeld der bürgerlichen Widerstandskämpfer mit ihrem leider erfolglosen Anschlag auf Hitler vom 20. Juli 1944. Später in der Bundesrepublik war er einer der besonneneren Vertreter der Unionsparteien.

In seinen Nachrufen in der Tagesschau und vielen anderen Medien wurde seine Rede vom 08. Mai 1985 vor dem Deutschen Bundestag zitiert: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ Mit diesen Aussagen solle Weizsäcker angeblich revanchistischen Kreisen in den Unionsparteien entschlossen entgegengetreten sein, weil in diesen Zirkeln der 08. Mai 1945 noch immer als Tag der Niederlage angesehen wurde. Jedoch relativierte Weizsäcker mit seiner Rede zum vierzigsten Jahrestag des Sieges der Alliierten über Nazi-Deutschland die deutsche Schuld. Nazi-Deutschland wurde bis weit ins Jahr 1945 mehrheitlich von den Deutschen getragen. Viele Deutsche fürchteten die Sieger, die Schmach, die Niederlage. Die Mehrheit der Deutschen wollten also im Jahr 1945 nicht befreit werden. Selbst die US-Armee erkannte das: „Be suspicious“ oder: „Don’t make friends“ hieß es in dem Lehrfilm „Your job in Germany“ aus dem Jahr 1945 vom preisgekrönten Regisseur Frank Capra.

Zwar sagte Weizsäcker in seiner Rede zu vierzigstens Jahrestag auch: „Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah.“ Doch vergisst die heutige deutsche Gesellschaft allzu gern Weizsäckers Folgesatz, der eine Aufforderung zum historischen Bewusstsein beinhaltete: „Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird.“

Mit seiner Rede zum vierzigsten Jahrestag streichelte Weizsäcker das mehrheitlich kleinbürgerliche Bewusstsein der Deutschen. Im Jahr 1985 wollte bereits kaum einer mehr an die deutschen Verbrechen aus der Nazi-Ära und dem Zweiten Weltkrieg erinnert werden. Die Deutschen waren mehrheitlich ihrer Schuld leid. Und dreißig Jahre später verfestigte sich diese Geisteshaltung noch mehr.

Das alles schließt jedoch nicht Weizsäckers Verdienste aus. Er war Bundestagsabgeordneter, Regierender Bürgermeister im westlichen Teil des geteilten Berlins, Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages und sicher noch vieles mehr.

Weizsäckers Glück war es, dass er im Jahr 1983 zügig Opposition zum damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl bezog und damit seine Kandidatur zum Bundespräsidenten durchdrücken konnte. Mit seiner Wahl zum Präsidenten am 23. Mai 1984 erfuhr er weiteres Glück, weil er damit im Jahr 1990 Bundespräsident eines geeinigten Deutschlands wurde.

Dennoch geht der Bundesrepublik mit dem Tod Richard von Weizsäckers ein würdiger Vertreter Deutschlands verloren. Das ist sehr bedauerlich.

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