Nichts ist schöner als Elder
Statesman zu werden. Das ist ein ganz erlesener Klub. Dorthin schaffen es nur
ehemalige, stark gealterte Staats- und Regierungschefs. Etwa Helmut Schmidt.
Wenn Willy Brandt oder Erich Honecker noch lebten, so wären sie auch in diesem
vornehmen Verein. Und wenn Helmut Kohl aufgrund seines Schädelhirntraumas beim
Essen nicht die gerade aufgenommene Suppe an den Mundwinkeln runterlaufen
würde, wäre er vermutlich auch ein ganz passables Mitglied dieses erlauchten
Klubs. Und so schaffte es bislang nur Henry Kissinger als einziger Nicht-Regierungschef
in diese erlauchte Runde. Hans-Dietrich Genscher gibt sich zwar große Mühe,
aber bislang sollte es halt einfach nicht sein. Das ist sicherlich schade, weil
man in dieser Runde allerhand von sich geben kann, ohne Verantwortung zu tragen
oder groß ernst genommen zu werden.
So stellte der SPIEGEL unlängst fest, wie problematisch die Äußerungen der ehemaligen Politiker sind. Vertreter
dieses erlauchten Kreises geben nämlich gern Halbweisheiten oder gar blanken
Unsinn von sich. Und so sagte etwa Helmut Schmidt in seinem gemeinsam mit Peer
Steinbrück herausgegebenen Interview-Buch „Zug um Zug“ aus, dass Gewerkschaften
nicht notwendig seien. Betriebsräte seien viel effektiver und sinnvoller. Damit
vertritt Schmidt die Ansicht des Deutschen Beamtenbundes, obwohl er Ver.di-Mitglied
ist. Mit seiner Äußerung verkennt der Alt-Kanzler (welch komischer Titel!) den
Nutzen der Gewerkschaften. Diese schaffen wichtige, nutzbringende Grundlagen
für ihre Mitglieder, indem sie ihnen Rechtsberatung und gegebenenfalls -schutz
gewähren. Die Gewerkschaften sorgen außerdem für Bildung, die ein einzelner
Betriebsrat nicht ermöglichen könnte. Außerdem schaffen die Gewerkschaften
Abstimmungen zwischen den einzelnen Betriebsräten, damit diese nicht von den
Arbeitgebern gegeneinander ausgespielt werden können.
Im gleichen Buch lobte Schmidt
das deutsche Gesundheitssystem und sagte gleichzeitig aus, dass die
US-amerikanischen Mediziner so viel besser als die deutschen seien. Fragt man verschiedene
deutsche Mediziner, ziehen diese die Augenbrauen hoch. Und anhand der
Verteilung der derzeitigen Ebola-Patienten erkennt man, dass Deutschland allein
drei ausländische Patienten aufgenommen hat, während die USA mit dreimal größeren
Bevölkerung lediglich zwei ausländische Patienten aufnahm. Zudem muss man sich
um das medizinische Personal an US-amerikanischen Krankenhäusern sorgen, weil
dessen Arbeitsschutz mangelhaft scheint.
Und ganz peinlich dürfte nun
Heribert Schwans Veröffentlichung der Kohl-Protokolle für Schmidt sein. Liest
man Schmidts „Auf dem Weg zur deutschen Einheit“, so warf er der Regierung Kohl
Unwissenheit und Unvermögen vor. Das stimmt sicherlich auch, weil Kohl nur am
richtigen Ort zur richtigen Zeit war. Sein einziger Verdienst ist die
staatliche Einigung beziehungsweise Übernahme der DDR. Das ist eben das Glück
des dummen Bauern mit den großen Kartoffeln. Sprich: Wenn man allein vor dem
Tor steht, muss man den Ball einfach versenken.
Entgegen Schmidts Behauptungen
verkannte Kohl die wirtschaftliche Lage der DDR und die Beweggründe für die
friedliche Revolution in Ostdeutschland nicht. So soll Kohl auf Tonband gesagt
haben: „Es ist ganz falsch, so zu tun, als wäre da plötzlich der heilige [sic!]
Geist über die Plätze in Leipzig gekommen und hat die Welt verändert.“ Ferner
führte er aus: „Gorbatschow ging über die Bücher und musste erkennen, dass er
am Arsch des Propheten war und das Regime nicht halten konnte. […] Und wenn er
den Kommunismus erhalten wollte, musste er ihn reformieren, so kam ja die Idee
mit der Perestroika.“
Ja, da hat sich Schmidt wohl bei
der Erkenntnisfähigkeit Kohls geirrt. Und liest man ein Buch von Schmidt, kennt
man bereits alle anderen. Insofern ist es gut, dass andere ehemalige Politiker
nachrücken. Gerhard Schröder wähnt sich noch im vollen Saft seiner
Leibeskräfte, weswegen er sich seinem finanziellen Auskommen in der
Privatwirtschaft widmet. Also schickt sich derzeit Joschka Fischer an, um in
den elitären Kreis der Elder Statesman aufzurücken. Genscher blieb das bislang
vergönnt. Schließlich war Genscher nicht mit den US-Außenministern derartig
befreundet wie Fischer und Madelaine Albright. Auch hielt er nicht solch
eloquenten Reden wie Fischer vor dem UN-Sicherheitsrat in New York, wie Fischer
es tat, indem er zu Collin Powell sagte: „Sorry, I am not convinced!“
Doch bei solchen bisherigen
Leistungen darf es nicht bleiben, um zum erlauchten Kreis der alten Säcke
aufzurücken. Man muss sich auch regelmäßig in den Medien präsent halten und philosophisch-allgemeingültig
über tagespolitische Sachverhalten räsonieren. So will Fischer etwa laut einem SPIEGEL-Interview die Ukraine europäisieren, damit sie irgendwann in die EU
eintreten kann. Gegen eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine spricht einmal per se nichts.
Jedoch muss dies in Abstimmung mit dem größeren russischen Bruder erfolgen. Was
aber meint Fischer überhaupt mit der Europäisierung? Ist die Ukraine etwa nicht
Europa? Meint Fischer etwa die Menschwerdung des Affen?
Außerdem sprach Fischer im
gleichen SPIEGEL-Interview die EU-Osterweiterung von 2004 an. Diese erachte er
als notwendig, weil sonst ein instabiles Ostmitteleuropa erwachsen wäre. Das
hätte zur Destabilisierung des gesamten Europas geführt. Doch was ist dieser
riesige multinationale Chor der EU-Kommissare denn derzeit? Wirkt dieser
EU-Hickhack nicht auch destabilisierend? Dies ist absolut kein Votum gegen
Europa, aber ganz nüchtern betrachtet stellt man in den letzten Jahren die
Zunahme von chaotischen Zuständen innerhalb der EU fest.
Ferner erklärte Fischer, dass die
USA mit dem Irakkrieg 2003 die historische Ordnung im Nahen Osten zerstörten.
Historisch war die Ordnung sicherlich, aber sie war aufoktroyiert. Mit dem
Sykes-Picot-Abkommen von 1916 zwangen die Briten und Franzosen dem
Haschemitenreich neue, nicht natürlich gewachsene Grenzen auf. Damit liegt die
Ursünde in Europa und nicht bei den USA.
Daran sieht man also, dass
Fischer mit seinem Unsinn gutes Zeug für den Klub der alten Schwätzer
mitbringt. Vielleicht wird er aufgrund seines rangniedrigeren Ministeramts auch
von den ehemaligen Staats- und Regierungschefs als ebenbürtig anerkannt. Das
wäre unser großes Glück für zukünftig weiteren Quatsch mit Joschka.
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