Freitag, 17. Oktober 2014

Joschka Fischer reiht sich mit ein



Nichts ist schöner als Elder Statesman zu werden. Das ist ein ganz erlesener Klub. Dorthin schaffen es nur ehemalige, stark gealterte Staats- und Regierungschefs. Etwa Helmut Schmidt. Wenn Willy Brandt oder Erich Honecker noch lebten, so wären sie auch in diesem vornehmen Verein. Und wenn Helmut Kohl aufgrund seines Schädelhirntraumas beim Essen nicht die gerade aufgenommene Suppe an den Mundwinkeln runterlaufen würde, wäre er vermutlich auch ein ganz passables Mitglied dieses erlauchten Klubs. Und so schaffte es bislang nur Henry Kissinger als einziger Nicht-Regierungschef in diese erlauchte Runde. Hans-Dietrich Genscher gibt sich zwar große Mühe, aber bislang sollte es halt einfach nicht sein. Das ist sicherlich schade, weil man in dieser Runde allerhand von sich geben kann, ohne Verantwortung zu tragen oder groß ernst genommen zu werden.
 
So stellte der SPIEGEL unlängst fest, wie problematisch die Äußerungen der ehemaligen Politiker sind. Vertreter dieses erlauchten Kreises geben nämlich gern Halbweisheiten oder gar blanken Unsinn von sich. Und so sagte etwa Helmut Schmidt in seinem gemeinsam mit Peer Steinbrück herausgegebenen Interview-Buch „Zug um Zug“ aus, dass Gewerkschaften nicht notwendig seien. Betriebsräte seien viel effektiver und sinnvoller. Damit vertritt Schmidt die Ansicht des Deutschen Beamtenbundes, obwohl er Ver.di-Mitglied ist. Mit seiner Äußerung verkennt der Alt-Kanzler (welch komischer Titel!) den Nutzen der Gewerkschaften. Diese schaffen wichtige, nutzbringende Grundlagen für ihre Mitglieder, indem sie ihnen Rechtsberatung und gegebenenfalls -schutz gewähren. Die Gewerkschaften sorgen außerdem für Bildung, die ein einzelner Betriebsrat nicht ermöglichen könnte. Außerdem schaffen die Gewerkschaften Abstimmungen zwischen den einzelnen Betriebsräten, damit diese nicht von den Arbeitgebern gegeneinander ausgespielt werden können.

Im gleichen Buch lobte Schmidt das deutsche Gesundheitssystem und sagte gleichzeitig aus, dass die US-amerikanischen Mediziner so viel besser als die deutschen seien. Fragt man verschiedene deutsche Mediziner, ziehen diese die Augenbrauen hoch. Und anhand der Verteilung der derzeitigen Ebola-Patienten erkennt man, dass Deutschland allein drei ausländische Patienten aufgenommen hat, während die USA mit dreimal größeren Bevölkerung lediglich zwei ausländische Patienten aufnahm. Zudem muss man sich um das medizinische Personal an US-amerikanischen Krankenhäusern sorgen, weil dessen Arbeitsschutz mangelhaft scheint.

Und ganz peinlich dürfte nun Heribert Schwans Veröffentlichung der Kohl-Protokolle für Schmidt sein. Liest man Schmidts „Auf dem Weg zur deutschen Einheit“, so warf er der Regierung Kohl Unwissenheit und Unvermögen vor. Das stimmt sicherlich auch, weil Kohl nur am richtigen Ort zur richtigen Zeit war. Sein einziger Verdienst ist die staatliche Einigung beziehungsweise Übernahme der DDR. Das ist eben das Glück des dummen Bauern mit den großen Kartoffeln. Sprich: Wenn man allein vor dem Tor steht, muss man den Ball einfach versenken.

Entgegen Schmidts Behauptungen verkannte Kohl die wirtschaftliche Lage der DDR und die Beweggründe für die friedliche Revolution in Ostdeutschland nicht. So soll Kohl auf Tonband gesagt haben: „Es ist ganz falsch, so zu tun, als wäre da plötzlich der heilige [sic!] Geist über die Plätze in Leipzig gekommen und hat die Welt verändert.“ Ferner führte er aus: „Gorbatschow ging über die Bücher und musste erkennen, dass er am Arsch des Propheten war und das Regime nicht halten konnte. […] Und wenn er den Kommunismus erhalten wollte, musste er ihn reformieren, so kam ja die Idee mit der Perestroika.“

Ja, da hat sich Schmidt wohl bei der Erkenntnisfähigkeit Kohls geirrt. Und liest man ein Buch von Schmidt, kennt man bereits alle anderen. Insofern ist es gut, dass andere ehemalige Politiker nachrücken. Gerhard Schröder wähnt sich noch im vollen Saft seiner Leibeskräfte, weswegen er sich seinem finanziellen Auskommen in der Privatwirtschaft widmet. Also schickt sich derzeit Joschka Fischer an, um in den elitären Kreis der Elder Statesman aufzurücken. Genscher blieb das bislang vergönnt. Schließlich war Genscher nicht mit den US-Außenministern derartig befreundet wie Fischer und Madelaine Albright. Auch hielt er nicht solch eloquenten Reden wie Fischer vor dem UN-Sicherheitsrat in New York, wie Fischer es tat, indem er zu Collin Powell sagte: „Sorry, I am not convinced!

Doch bei solchen bisherigen Leistungen darf es nicht bleiben, um zum erlauchten Kreis der alten Säcke aufzurücken. Man muss sich auch regelmäßig in den Medien präsent halten und philosophisch-allgemeingültig über tagespolitische Sachverhalten räsonieren. So will Fischer etwa laut einem SPIEGEL-Interview die Ukraine europäisieren, damit sie irgendwann in die EU eintreten kann. Gegen eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine spricht einmal per se nichts. Jedoch muss dies in Abstimmung mit dem größeren russischen Bruder erfolgen. Was aber meint Fischer überhaupt mit der Europäisierung? Ist die Ukraine etwa nicht Europa? Meint Fischer etwa die Menschwerdung des Affen?

Außerdem sprach Fischer im gleichen SPIEGEL-Interview die EU-Osterweiterung von 2004 an. Diese erachte er als notwendig, weil sonst ein instabiles Ostmitteleuropa erwachsen wäre. Das hätte zur Destabilisierung des gesamten Europas geführt. Doch was ist dieser riesige multinationale Chor der EU-Kommissare denn derzeit? Wirkt dieser EU-Hickhack nicht auch destabilisierend? Dies ist absolut kein Votum gegen Europa, aber ganz nüchtern betrachtet stellt man in den letzten Jahren die Zunahme von chaotischen Zuständen innerhalb der EU fest.
 
Ferner erklärte Fischer, dass die USA mit dem Irakkrieg 2003 die historische Ordnung im Nahen Osten zerstörten. Historisch war die Ordnung sicherlich, aber sie war aufoktroyiert. Mit dem Sykes-Picot-Abkommen von 1916 zwangen die Briten und Franzosen dem Haschemitenreich neue, nicht natürlich gewachsene Grenzen auf. Damit liegt die Ursünde in Europa und nicht bei den USA.

Daran sieht man also, dass Fischer mit seinem Unsinn gutes Zeug für den Klub der alten Schwätzer mitbringt. Vielleicht wird er aufgrund seines rangniedrigeren Ministeramts auch von den ehemaligen Staats- und Regierungschefs als ebenbürtig anerkannt. Das wäre unser großes Glück für zukünftig weiteren Quatsch mit Joschka.

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