Dienstag, 2. Juni 2015

Der aktuelle Poststreik



In unserer Welt gibt es viele Ungerechtigkeiten, die sich auf sehr unterschiedliche Art und Weise ausgestalten. Manche Leute kriegen samstags nicht mehr ihren SPIEGEL ausgeliefert und rufen dann wutentbrannt beim SPIEGEL-Kundenservice an. Dann unterstellen manche Abonnenten dem Mitarbeiter im Kundenservice, dass der SPIEGEL mit der Deutschen Post unter einer Decke stecke, und dass sich der SPIEGEL mit der Post gegen sie verschworen hätte. Vollkommen abstrus!

Der Arbeitnehmerseite bei der Deutschen Post AG ist nämlich absolut nicht daran gelegen, das Leben der Kunden zu erschweren. Es geht um legitime Ziele, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer versuchen zu erreichen. Denn die Deutsche Post ist längst nicht mehr ein vorbildlicher Arbeitgeber, wie man landläufig glauben könnte. Mittlerweile betreibt die Post Ausbeutung, Lohndumping und Entfremdung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im marxistischen Sinne.

Die westfälische Stadt Münster ist hierfür ein sehr gutes Beispiel. Die Post beschäftigt in Münster ungefähr 4500 Menschen. Rund 45 Prozent sind davon verbeamtet. Dieser Prozentsatz nimmt natürlich kontinuierlich ab, weil die Post mittlerweile eine private Aktiengesellschaft ist und die Beamten aussterben. Jedoch gibt es durchaus noch Angestellte. Diese werden allerdings nur noch für zwei Jahre befristet angestellt. Damit soll gewährleistet werden, dass die Lohnkosten für Briefzusteller und andere Postangestellte nicht explodieren.

Jedoch gibt es bei der Deutschen Post durch Fremdvergabe mittlerweile auch Leiharbeiter, Werkvertragsnehmer und andere vergleichbare Beschäftigungsverhältnisse. Diese Sache gestaltet sich derartig schlimm, dass es manchmal nicht nur Sub-Unternehmer gibt, sondern auch Sub-Subunternehmer. Manchmal handelt es sich bei solchen Unternehmen um ehemalige, mittlerweile ausgegliederte Unternehmensbereiche. Doch bloß weil sich dabei um eine ehemalige Postsparte handelt, beinhaltet das noch nicht sozial gerechte Entgelte oder Tarifverträge. Ein Beispiel hierfür ist die DHL Sorting Center GmbH. Dabei handelt es sich um einen Post- und Logistikdienstleister, der beinah ausschließlich für die Deutsche Post AG tätig ist. Doch Frank Appel als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post AG taucht im Eintrag des Handelsregisters nicht auf. Und die Zergliederung der Deutschen Post AG setzt sich fort, sagt Wolfgang Rieck-Henke, Bezirksfachbereichsvorsitzenden des Fachbereichs 10 (Postdienstleistungen) im Münsterland, aus.

Dieser ganze Sachverhalt zeugt von einem Missstand sondergleichen. Es gibt mittlerweile drei Beschäftigungsverhältnisse bei der Deutschen Post AG, deren Beschäftigte bei gleicher Arbeit aber unterschiedlich entlohnt werden. Und dann kommen noch die befristeten Beschäftigungsverhältnisse hinzu. Somit ist es kein Wunder, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer streiken. Das ist ihr gutes Recht. Doch auch hier hintergeht die Arbeitgeberseite ihre Angestellten, indem Streikbrecher eingesetzt werden.

Am Dienstag, dem 26. Mai 2015, erging dazu das Urteil 3 Ga 18/15. ver.di klagte vor dem Arbeitsgericht Bonn, dass verbeamtete Postbedienstete unfreiwillig als Streikbrecher eingesetzt worden sind. Denn das widerspräche dem Grundgesetz (Art. 9 Abs. 3 GG), wonach Beamte nicht als Streikbrecher eingesetzt werden dürfen. Eidesstattliche Erklärungen fanden laut Rieck-Henke keinen Anklang. Vielmehr wurde nun die Beweisführung umgedreht und deren Last der Arbeitnehmerseite aufgebürdet. Fortan müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder ihre Kolleginnen und Kollegen nachweisen, dass sie unfreiwillig arbeiten. Das birgt die Gefahr eines sozialen Unfriedens in dem jeweiligen Postunternehmen in sich.

Doch Streikbrecher finden auch anderweitig Anklang bei der Deutschen Post. So wurden in Münster ausländische Leiharbeiter aus der Slowakei und Rumänien angekarrt, so Rieck-Henke. Diese slowakischen und rumänischen Leiharbeiter verrichten nun die Arbeit für die streikenden Beschäftigten in Münster. Hier macht es sich die Arbeitgeberseite der Deutschen Post sehr einfach, indem sie soziale Not slowakischer und rumänischer Bürger ausnutzt. Zwar haben die ausländischen Leiharbeiter nach Arbeitnehmerüberlassungsgesetz auch das Recht, die Arbeit in bestreikten Betrieben zu verweigern. Doch wer klärt die armen slowakischen und rumänischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schon richtig auf? Sie sind froh, wenn sie in Münster etwas mehr verdienen können, als sie es in ihrer Heimat tun würden. Doch hinnehmbar ist auch dieser Missstand nicht.
 
Insofern ist zu hoffen, dass sich die streikenden Postbediensteten durchsetzen und die Arbeitgeberseite endlich Einsicht erlangt. Zu wünschen wäre es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Deutschen Post AG sehr! Denn wie kann es sein, dass die Deutsche Post heute unwirtschaftlicher als vor etlichen Jahren arbeitet? Somit gibt es keine Rechtfertigung für Ausbeutung, Lohndumping, Entfremdung, Befristungen und Leiharbeit! Schließlich fährt die Post AG regelmäßig Gewinne ein! Doch scheinbar dürfen die Gewinne nicht an die Beschäftigten in Form von Lohnerhöhungen, sondern vielmehr als Dividende an die Aktionäre weitergegeben werden.

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