Dass Dinosaurier irgendwann
sterben mussten, war zwangsläufig. Zu groß, zu behäbig, zu schwerfällig waren
sie. Sie passten einfach nicht in ihre Zeit. So kam es, dass sie irgendwann
ausstarben. Sei’s drum, es ist ja nicht weiter schade.
Bedauerlich dagegen ist das
Aussterben zeitgenössischer Dinosaurier wie die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
ver.di. Bei ihrer Gründung im Jahr 2001 zählte sie noch 2,81 Millionen Mitglieder. Damals war sie noch größer als die Industriegewerkschaft Metall,
heute ist sie die zweitgrößte Einzelgewerkschaft in der Bundesrepublik. Die
Mitgliederzahlen kennen bei ver.di nur eine Richtung. Und zwar die nach unten.
Angeblich wurde mittlerweile die Kehrtwende geschafft. Das war im Jahr 2014.
Der Trend hielt nur kurzfristig an. Mittlerweile sinken die Mitgliederzahlen
wieder. Und damit klingen die Phrasen von der Umkehr zur neuen Stärke unglaubwürdig und die Bekräftigungen irgendwie hohl. So hatte ver.di Ende 2014 nur
noch 2,04 Millionen Mitglieder. Das wäre sicherlich immer noch beachtlich, wenn
es stimmen könnte. Doch dagegen sprechen die aktuellen Strategien und die
derzeitige Politik in ver.di.
Denn der sterbende Dinosaurier
namens ver.di reagiert nur allzu schwerfällig auf die Umstände und
Herausforderungen der aktuellen Zeit. Das erkennt man sehr gut am derzeitigen
Tarifvertrag, der zwischen ver.di und der Deutschen Post AG ausgehandelt worden
ist. Obwohl die streikenden Postmitarbeiter es schafften, den gesamten
Postbetrieb nahezu lahmzulegen, konnte ver.di ihre legitimen Forderungen nicht durchsetzen. Die Zergliederung der Deutschen Post AG wurde nicht aufgehalten
oder rückgängig gemacht. Und somit verdienen auch weiterhin die Arbeitnehmer
für die gleiche Arbeit unterschiedlich. Schließlich gibt es bei der Post noch
zahlreiche Beamte, aber auch Angestellte, private Auftragnehmer und
Leiharbeiter. Dieser Missstand sorgte einerseits für Verstimmung bei den Mitarbeitern
in den ausgegliederten Betrieben sowie bei den Leiharbeitern. Andererseits sind
unbefristet angestellte Mitarbeiter im Mutterkonzern zufrieden. Es ist kaum
auszudenken, dass die unzufriedenen Mitglieder nach dem langen und aufreibenden
Arbeitskampf weiterhin Mitglieder bleiben werden.
Ein weiteres Beispiel: Real mit knapp 60.000 Arbeitnehmern. Die Einzelhandelstochter der Metro-Gruppe kündigte trotz
der vielen Mitarbeiter den Flächentarifvertrag auf. Kurz und knapp nennt man
das Tarifflucht. Das hat zur Folge, dass zahlreiche Real-Mitarbeiter künftig
schlechter finanziell entgolten werden. Doch ein klares Konzept zur Bekämpfung
der Tarifflucht fiel ver.di bislang nicht ein. In den deutschen Medien ist das Thema auch nicht präsent. Es ist kaum auszudenken, dass die unzufriedenen
Mitarbeiter bei Real ver.di langfristig die Treue halten werden oder gar ver.di
beitreten werden.
Ein letztes Beispiel: Die
Erzieher und Sozialarbeiter. Seit Monaten streiken die Mitarbeiter der kommunalen Kindertagesstätten. Die Erzieher und Sozialarbeiter kämpfen für eine
höhere Eingruppierung in den Gehaltsgruppen. Derzeit ist Sommerpause und die
Zukunft ungewiss. Ob es demnächst erneut zu Streiks kommen wird, ist ebenfalls ungewiss.
ver.di fürchtet eine geringere Streikbeteiligung. Sollte jedoch die
Streikfreude ungebrochen sein oder gar noch ausgebaut werden, ist selbst eine
höhere Eingruppierung in den Gehaltsgruppen nicht zwangsläufig ausgemacht. So
stellte der Politikwissenschaftler Torsten Bewernitz aus Münster in seinem Buch
„Die neuen Streiks“ fest, dass langanhaltende Streiks sehr oft nicht den gewünschten Effekt erzielen. Und so können die Erzieher und Sozialarbeiter auch
noch so hart streiken, ihre Forderungen werden nicht erfüllt. Schließlich
tragen sie mit ihrem Streik zur Schuldenkonsolidierung der klammen Kommunen
bei. Die Kommunen müssen nämlich nichts an die streikenden Angestellten zahlen,
kassieren aber trotzdem die Kindergartengebühren von den Eltern ein. Und somit ist
auch hierbei kaum auszudenken, dass die unzufriedenen Erzieher und
Sozialarbeiter ver.di langfristig die Treue halten werden oder gar ver.di
beitreten werden.
ver.di ist nämlich zu
schwerfällig. Es ist zu wenig Mitgliederorganisation, obwohl sie ständig Demokratie
proklamiert. Über Tarifverträge wird nur selten abgestimmt, außerdem herrschen in
ver.di das Quoten- sowie das Delegiertenprinzip. Das verhindert den ehrlichen
Aufstieg von fähigen Personen und das Durchsetzen von neuen Ideen. Gleichzeitig
ist ver.di stark überaltert. Zwar hält sich die ver.di-Jugend gut, doch in den Altersstrukturen danach brechen die Mitgliederzahlen ein. Das ist fatal für
eine Organisation. Das Altersproblem verdeutlicht sich auch beim Blick auf die
hauptamtlichen Mitarbeiter. Die meisten der ver.di-Mitarbeiter gehören der
Generation 50 plus an und verkörpern damit keine Strahlkraft auf die jüngeren
Generationen.
Und so ist ganz klar, dass ver.di
auf lange Sicht weiterhin Mitglieder verlieren wird. Die aktuellen Zahlen
scheinen allerdings allzu geschönt. 2,04 Millionen Mitglieder sind es definitiv
nicht. Denn dagegen spricht die Auflagenstärke der Mitgliederzeitung ver.di Publik.
Die Auflage dieser Zeitung liegt bei rund 1,91 Millionen. Jedes Mitglied kriegt
diese Zeitung kostenlos, denn sie ist im Mitgliedsbeitrag mit inbegriffen.
Außerdem gibt es keine Einrichtung zur Abbestellung der Zeitung. Ferner wird
die Zeitung auch im stärkeren Umfang, als es die tatsächlichen Mitgliederzahlen
hergeben, gedruckt. Schließlich liegt die Zeitung in jeder Geschäftsstelle zahlreich
kostenlos aus. Und dann gibt es die Möglichkeiten des Abonnements für Nicht-Mitglieder.
Insofern ist ver.di’s Mitgliederzahl auch weitaus geringer als 1,91 Millionen.
Der Kollaps des sterbenden
Dinosauriers ist also unmittelbar. Da hilft auch kein Botox. Und aus dem
Pferderennen weiß man, dass man niemals auf einen altes Tier setzen sollte.
Dieser Umstand ist sicherlich schade.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen