Donnerstag, 6. November 2014

„Auswandern kommt nie infrage“ (Teil III) – Noch ein weiteres Interview mit Theo, 30, arbeitslos



Henning: Hallo, Theo, Du hast mich um ein Gespräch gebeten.

Theo: Bitte keine großen Umschweife, ich habe etwas vorbereitet. Bitte lies die Fragen vor, die ich Dir hier auf dem Zettel vorbereitet habe.

Henning: Okay.


Kurze Pause.

Henning: Theo, 25 Jahre nach dem Mauerfall könnte mit Bodo Ramelow in Thüringen erstmals ein Linker Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes werden. Was empfindest Du dabei?

Theo: Das wäre ‘mal etwas anderes. Die Linke kann durchaus einen Anspruch begründen zu regieren – trotz ihrer SED-Vergangenheit, aber besonders auch wegen ihrer Politik. Die Linke ist dafür verantwortlich, dass in den vergangenen 25 Jahren viele Chancen und Möglichkeiten in den neuen Ländern sozial verantwortlich genutzt wurden. Sie hat den Menschen aus dem Osten eine besondere Bedeutung beigemessen, sie hat der Resignation in den Köpfen entgegengewirkt, Fürsorge transportiert.

Henning: Halt, Du liest ja die Antworten ebenfalls vor.

Theo: Och, na, klar, jetzt müssen wir wieder von vorn anfangen. Also bitte.

Henning: Theo, 25 Jahre nach dem Mauerfall könnte mit Bodo Ramelow in Thüringen erstmals ein Linker Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes werden. Was empfindest Du dabei?

Theo: Das wäre ‘mal etwas anderes. Die Linke kann durchaus einen Anspruch begründen zu regieren – trotz ihrer SED-Vergangenheit, aber besonders auch wegen ihrer Politik. Die Linke ist dafür verantwortlich, dass in den vergangenen 25 Jahren viele Chancen und Möglichkeiten in den neuen Ländern sozial verantwortlich genutzt wurden. Sie hat den Menschen aus dem Osten eine besondere Bedeutung beigemessen, sie hat der Resignation in den Köpfen entgegengewirkt, Fürsorge transportiert.

Henning: Ist die Linke eine demokratische Partei wie die CDU oder die SPD?

Theo: Ja, die sind doch alle das Gleiche. Die Linke hat versucht, etwas die neue Zeit zu begründen. Gut, Hans Modrow war zwar rechtskräftig  verurteilt wegen Anstiftung zur Wahlfälschung und lange Ehrenvorsitzender der Partei, aber Helmut Kohl in der CDU ja auch, obwohl er nicht sauber war. Und wenn Sahra Wagenknecht heute der Kanzlerin vorwirft, ihr Eintreten für eine Sparpolitik in Europa würde in Frankreich Marine Le Pen stark machen, dann hat sie recht. So sorgt die Linke für Belebung der Demokratie.

Henning: An der niedrigen Wahlbeteiligung ist nicht die Linke schuld?

Theo: Für die niedrige Wahlbeteiligung in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gibt es viele Gründe. Aber das Beschwichtigen und Beschönigen der Lage in  Ostdeutschland  spielt sicher eine Rolle. Wir wissen doch alle noch, wie groß die Wahlbeteiligung 1990 war – über 90 Prozent. Was haben wir uns gefreut, dass wir endlich wählen konnten, dass wir uns frei entscheiden konnten. Diese Freude ist vielen verloren gegangen.

Henning: Haben die Ostdeutschen nach 25 Jahren genug von der Demokratie?

Theo: So hart würde ich das nicht sagen. Wahr ist aber: Demokratie  ist schwierig. Man muss sich informieren, sich Gedanken machen. Viele glauben heute, dass es egal ist, ob sie wählen gehen. Für mich ist das eine der Lehren von 1989: Es kommt auf jeden Einzelnen an.

Henning: Die Linken tun sich bis heute schwer, die DDR als Diktatur zu bezeichnen. Hast Du vor 1989 in der DDR eine Diktatur gesehen?

Theo: Falsch! Uns war das klar. So stand es doch sogar in jedem Staatsbürgerkundebuch: Die DDR ist eine Diktatur des Proletariats. Das war das Selbstverständnis der SED. Nach marxistischem Verständnis gibt es eine Diktatur des Bürgertums oder alternativ eine Diktatur des Proletariats. Insofern sieht die Linke als Nachfolgepartei der SED die DDR selbstverständlich als Diktatur.

Henning: Hast Du Dich selbst als Staatsfeind in der Bundesrepublik betrachtet?

Theo: Nein, überhaupt nicht. Aber ich merkte schon früh, dass das System mir Grenzen setzte. Meine Mutter wollte nicht, dass ich auf die säkularen Schulen gehe, und das wurde auch meine Überzeugung. Die Folge war, dass ich am Gymnasium Außenseiter war, trotz guter Zensuren. Meine Mutter schrieb Protestbriefe, sogar an den Erzbischof. Aber das hat nichts gebracht. Ge­holfen hat mein Vater: Er ist Mähdrescher gefahren und hat einmal das Feld des Bischofs gemäht. Als der ihn bezahlen wollte, sagte mein Vater: Ich will kein Geld, aber mein Sohn würde gern auf das Gymnasium gehen. Das war dann möglich, unter einer Bedingung: Ich musste in die Erstkommunion absolvieren.

Henning: Ein kleiner Deal ...

Theo: Gesamtdeutsche Realität. Ich erinnere mich gut daran. Am ersten Schultag wurde ich als Einzige vor­ gerufen und förmlich in der Heiligen Messe erwähnt. Das war demütigend, weil ich mich bis dahin ja bewusst dagegen entschieden hatte. Aber sonst hätte ich kein Abitur machen und nicht studieren können. Dann wäre ich heute wahrscheinlich nicht so weit gekommen.

Henning: War der Weg in die Geschichtswissenschaft eine Flucht? Der Materialismus geht ja vom Menschen aus. Der Mensch ist ja auch Naturgesetzen unterworfen, und Naturgesetze galten ja auch in der bürgerlichen Demokratie.

Theo: Ich bin gern Historiker, aber genauso gern hätte ich Germanistik studiert. Ich hatte einen tollen Deutschlehrer. Und wenn man wie ich in einer kleinen Stadt aufwächst, dann sind Bücher und Literatur das Tor zur Welt. Aber was konnte man in der Bundesrepublik als Germanist  schon groß machen? Möglichkeiten zum Publizieren gab es kaum, oder sie waren gelenkt. Wer Glück hatte, kam in einem kleinen Verlag unter.

Henning: Hast Du einmal daran gedacht auszuwandern?

Theo: Nein, das kam nie infrage. Die Bundesrepublik ist meine Heimat. Ich wollte immer, dass wir in der Bundesrepublik was ändern, ich will nicht weg. Obwohl man schon manchmal ins Nachdenken kommt, etwa, als meine Freundin und ich das Disziplinarverfahren hatten.

Henning: Das müsst Du erklären.

Theo: Wenn die Studenten aus den Se­mesterferien kamen, waren sie voll mit idealistischen, linken Ideen. Nor­malerweise haben Dozenten diesen Lehrveranstaltungen gemacht,  doch 1986 wurden meine Freundin und ich für eine Sitzung eingeteilt. Wir überlegten uns den ganzen August mit der Frage, was wir da machen könnten. Die Studenten kannten uns ja alle, zum Beispiel aus der Kirchengemeinde. Es war die Zeit von Gor­batschow, Glasnost. Wir machten dann ein Seminar, in dem kritisch über Wehrpflicht und die Stationierung der SS-20-Raketen sowie Pershing II diskutiert wurde. Einer von der Leitung der Hochschule war da­ bei. Und dann schaltete er sich ein. Meine Freundin und ich bekamen Disziplinar­verfahren angehängt, die mit einer Rüge endeten. Eine Hochschulkarriere war versperrt, und ich durfte noch nicht einmal mehr nach Warschau reisen.

Henning: Hast Du heute Angst?

Theo: Man überlegt stets: Was mache ich, wenn ich meinen Beruf verliere? Angeblich kann man beim aktuellen Jobwunder überall eine Anstellung finden. Aber meine Freundin? Mathematik war ihr Leben, sie hätte nicht einfach auf dem Friedhof Laub rechen können. Da haben wir nicht  konkret an Ausreise gedacht, aber viel geschlafen haben wir auch nicht.

Henning: Siehst Du Möglichkeiten, in der Bundesrepublik etwas zu verändern?

Theo: Wir haben  zum Teil irrationale Hoffnungen, wir achten auf kleinste Zei­chen: Was änderte sich in den Medien? Nun ist mir klar, wie gering die Chancen sind, wirklich etwas zu bewegen. Wir dachten uns nur die ganze Zeit, dass ein Land in­ mitten Europas auf Dauer geistig so starr sein kann, das kann nicht so bleiben.

Henning: Ärgert Dich heute manchmal, dass Du Dich zu sehr angepasst haben?

Theo: Ärgern ist das falsche Wort. Diese Frage war ja in der Bundesrepublik ständig im Hin­terkopf. Nimmt man im vorauseilenden Gehorsam zu viel hin? Ich war manches Mal Außenseiter, aber reicht das? Gerade als Gorbatschow in der Sowjetunion an die Macht kam, haben wir zu Hause viel diskutiert über die Frage: Setzen wir uns genügend zur Wehr?

Henning: Deine Kinder durchlaufen ebenfalls die bürgerliche Schule. Hatten die ähnliche Konflikte wie Du?

Theo: Mein Sohn wollte etwas Künstleri­sches studieren, ohne Armeedienst zu machen. Die Chancen dafür waren gleich null. Ich habe damals hilflos überlegt: Was rätst du ihm? Sagst  du: Du musst zu deiner Überzeugung stehen, auch wenn dein Leben dann ganz anders verläuft, als du es dir erhoffst? Oder sagst du: Na ja, so schlimm ist es schon nicht, halt es aus, und vergiss es danach wieder. Der Herbst 1989 hat uns diese Entscheidung zum Glück ab­ genommen.

Henning: Wo warst Du, als die Mauer fiel?

Theo: Zu Hause in Münster. Es war ein sehr zwiespältiges Gefühl. Erst einmal war ich völlig fassungslos. Dann voller Rührung, aber  auch sehr schnell voller Angst. Ich dachte nur: Jetzt gehen allweg, alle, die hier gebraucht werden. Die Ärzte, die Künstler. Und dann funktioniert es nicht, dann schaffen wir den Umbruch nicht. Unser Sohn kam nach Hause, völlig euphorisiert, und verstand gar nicht, wa­rum meine Frau und ich dasaßen und uns schon wieder Sorgen machten.

Henning: Wann war denn für Dich klar, dass der Umbruch unumkehrbar ist?

Theo: Am 9. Oktober. Das ist für mich der wichtigste Tag während der friedlichen Revolution. Die Partei- und Staatsführung in der DDR hatte entschieden, dass die  Montagsde­monstration in Leipzig an diesem Tag un­tersagt wird. An den  Ausfallstraßen von Leipzig standen die Kampfgruppen bereit, die Blutkonserven in den Krankenhäusern der ganzen Umgebung waren aufgestockt worden – und das wussten alle. In der Si­tuation sind trotzdem so viele Menschen wie noch nie zur Demo gegangen. An die­sem Tag ist die Mauer der Angst gefallen.

Henning: Sahst Du damals Alternativen zur Wiedervereinigung?

Theo: Ich war begeistert von Oskar Lafontaines Plan und der Idee ei­ner Konföderation beider deutscher Staa­ten. Ich fand richtig, dass unsere beiden Staaten zunächst ein­mal selber aus der Situation, für die wir verantwortlich waren, herauskommen sollten. Der westdeutsche Abfallexport in den Osten, die westdeutsche Großmannssucht, die Überheblichkeit. Meine Mei­nung war: Wir sind fleißig, wir schaffen das irgendwann. Erst recht in einer Demokratie mit or­dentlichen Gerichten. Aber dann hat sich alles beschleunigt.

Henning: Der damalige bayerische  Ministerpräsident Max Streibl nannte die neuen DDR-Politiker Laienschauspieler ...

Theo: ... und heute ist eine von ihnen Kanzlerin: Angela Merkel. Ohne die soge­nannten Laienschauspieler hätten wir die CDU-Leute aus den Ämtern drängen können.

Henning: Ärgert Dich die Arroganz, die hin­ter solchen Tönen steckte? Der Westen hat dem Osten ja nicht mal symbolisch etwas gelassen, eine neue Nationalhymne etwa.

Theo: Da gab es schon unangenehme Töne. Als überprüft wurde, ob deren Be­rufsabschlüsse mit denen im Westen gleich­wertig sind, alles bezweifelt wurde, habe ich mich manchmal gefragt: Wahrschein­lich  müssen die jetzt auch noch das Schwimmzeugnis nachholen.

Henning: Du warst der pragmatischste Linke, der an einer westdeutschen Hochschule war, in katholisch-schwarzen Münster. Hast Du da auch deutsch-deutsche Über­setzungsarbeit geleistet?

Theo: Ich hatte schon die Sorge, ob ich zurechtkommen würde. Aber mit Freude habe ich gemerkt, dass sich alle für mich interessierten. Ich habe dann oft von meinen gesamtdeutschen Erfahrungen erzählt. Da war ich so etwas wie ein Übersetzer.

Henning: Du bist erst 2002 in die PDS ein getreten, direkt nach dem Ausscheiden der PDS aus dem Bundestag. Warum?

Theo: Ich bin aus Solidarität mit der Volkspartei PDS eingetreten. Ich fand es gänzlich unakzeptabel, wie die Partei, die sich so für die Einheit eingesetzt hat, ab­gestraft wurde. Es hat so lange gedauert, weil ich mich erst mal mit dem Gedanken anfreunden  musste, einer Partei anzuge­hören. 1989 wollten wir einfach mitgestalten. Diese Runder-Tisch-Mentalität war aber auf Dauer nicht haltbar. Unser Land ist als Parteienstaat organisiert, das musste ich akzeptieren. Man muss in einer Partei sein, wenn man etwas bewegen will.

Henning: Pflegen Geschichtswissenschaftler aus dem Westen einen anderen Politikstil als Volljuristen?

Theo: Ohne die Juristen hätten wir den  Neuanfang 1990 nicht geschafft. Ich sage das in großer Dankbarkeit. Die Ostdeutschen, die 1990 in die Politik kamen, waren schon ein besonderer Menschen­schlag. Wir die westdeutschen Politiker waren nicht ideologiegetränkt, dagegen versuchen die Ostdeutschen strukturiert  zu denken. Prägender als das Studium war aber, dass wir fast alle aus dem Berufsleben kamen.

Henning: Gibt es noch weitere Unterschiede zwischen Ost und West?

Theo: In den alten Bundesländern ist meiner Meinung nach die Sorge vor Verände­rung bis heute viel größer. Da könnte der Westen auch ein Stück weit lernen, muti­ger zu sein, erkennen, dass sich auch etwas zum Positiven ändern  kann. Wir haben das hautnah erlebt, das fällt uns leichter.

Henning: Woran machst Du das fest?

Theo: An der  Diskussion in  westdeut­schen Ländern zum Beispiel, ob man auch nach acht Jahren Abitur machen kann. In Sachsen funktioniert das wunderbar.

Henning: Wie nimmst Du Debatten über die richtige Kindererziehung oder das Betreuungsgeld wahr?

Theo: Im Osten war es nie ein Thema, ob man eine Rabenmutter ist, wenn man nicht die ganze Zeit bei seinen Kindern Hause bleibt. Schön war es trotzdem nicht. Als ich meinen Sohn nach acht Wo­chen das erste Mal in die Krippe geben musste, habe ich auf dem ganzen Weg zur Arbeit  geheult. Trotzdem sehe ich die Idealisierung der DDR-Krippen nicht kri­tisch. Damals ging es nur teilweise um das Kindeswohl, aber auch darum, Frau­en in den Arbeitsprozess zu integrieren.

Henning: Kannst Du DDR-Nostalgie denn in anderen Punkten verstehen?

Theo: Hm, manchmal schon, aber „Sentimentalität ist ein bürgerliches Überbleibsel und unwürdig der proletarischen Geisteshaltung“ [Peppone in „Die große Schlacht des Don Camillo“]. Viele haben das Bild von 1989 vor Augen und erinnern sich an­scheinend, was sie verloren haben. Man muss sich jedoch nur vorstellen, wie es weitergegangen wäre, wäre es nicht zur friedlichen Revolution gekommen.

Henning: Wünschst  Du Dir  manchmal, dass die Kanzlerin ihre ostdeutsche Her­kunft ein bisschen mehr in den Vorder­grund rückt, mehr für Verständnis wirbt?

Theo: Ich glaube, sie hat anfangs klar ge­sehen, dass sie auch Akzeptanz in den al­ten Bundesländern braucht. Ansonsten denkt sie bei allem immer in Gleichgültigkeit der Machtbesessenheit mit, auch im Kabinett, sie hat da­ für eine besondere Sensibilität. Wir rea­gieren auf manche Dinge sehr unterschiedlich, etwa wenn sie bloße Betroffenheit heuchelt. Das kennen wir als Salonsozialismus.

Henning: Wie siehst Du heute die ehemali­ge Sowjetunion? Ist Russland wieder eine Bedrohung?

Theo: Ich glaube, dass die Menschen in Russland die Auflösung der Sowjetunion, dieses riesigen Reiches, noch nicht  verarbeitet haben. Es gibt dort offensichtlich den Wunsch, Stärke zu demonstrieren, daher hat Putin hohe Zustimmungswerte. Ich hät­te aber nie gedacht, dass eine solche Situa­tion wie jetzt in der Ukraine noch einmal passieren kann: Dass man im Europa zu Be­ginn des 21. Jahrhunderts Angst vor Krieg haben muss. Das war nicht vorhersehbar.

Henning: Theo,  ich danke Dir für dieses Gespräch.

Theo: Na, siehst Du, war doch ganz einfach. Jetzt liest Du bitte dieses SPIEGEL-Interview als SPIEGEL-Reporter vor, und ich spiele Frau Wanka. Du wirst schon sehen.

Henning: Aha, gut.


Sie war FDJ-Mitglied und im Visier der Stasi – 25 Jahre nach der Wende fragt sich Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, ob sie in der DDR genug Widerstand leistete.

SPIEGEL: Frau Wanka, 25 Jahre nach dem Mauerfall könnte mit Bodo Ramelow in Thüringen erstmals ein Linker Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes werden. Was empfinden Sie dabei?

Wanka: Das wäre sehr bedauerlich für unser Land. Die Linke kann keinen Anspruch begründen zu regieren – wegen ihrer SED-Vergangenheit, aber besonders auch wegen ihrer aktuellen Politik. Die Linke ist dafür verantwortlich, dass in den vergangenen 25 Jahren viele Chancen und Möglichkeiten in den neuen Ländern vertan wurden. Sie hat den Menschen aus dem Osten eine Opferrolle eingeredet, sie hat für Resignation in den Köpfen gesorgt, ein Verlierergefühl transportiert.

SPIEGEL: Ist die Linke eine demokratische Partei wie die CDU oder die SPD?

Wanka: Nein, das ist nicht das Gleiche. Die Linke hat versucht, etwas von der SED in die neue Zeit hinüberzuretten. Hans Modrow war sogar als rechtskräftig  verurteilter Anstifter zur Wahlfälschung lange Ehrenvorsitzender der Partei. Und wenn Sahra Wagenknecht heute der Kanzlerin vorwirft, ihr Eintreten für eine Sparpolitik in Europa würde in Frankreich Marine Le Pen stark machen, dann ist das Demagogie. So trägt die Linke zum Überdruss an der Demokratie bei.

SPIEGEL: An der niedrigen Wahlbeteiligung ist die Linke schuld?

Wanka: Für die niedrige Wahlbeteiligung in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gibt es viele Gründe. Aber das Schlechtreden der Lage in  Ostdeutschland  spielt sicher eine Rolle. Wir wissen doch alle noch, wie groß die Wahlbeteiligung 1990 war – über 90 Prozent. Was haben wir uns gefreut, dass wir endlich wählen konnten, dass wir uns frei entscheiden konnten. Diese Freude ist vielen verloren gegangen.

SPIEGEL: Haben die Ostdeutschen nach 25 Jahren genug von der Demokratie?

Wanka: So hart würde ich das nicht sagen. Wahr ist aber: Demokratie  ist schwierig. Man muss sich informieren, sich Gedanken machen. Viele glauben heute, dass es egal ist, ob sie wählen gehen. Für mich ist das eine der Lehren von 1989: Es kommt auf jeden Einzelnen an.

SPIEGEL: Die Linken tun sich bis heute schwer, die DDR als Diktatur zu bezeichnen. Haben Sie vor 1989 in der DDR eine Diktatur gesehen?

Wanka: Uns war das klar. So stand es doch sogar in jedem Staatsbürgerkundebuch: Die DDR ist eine Diktatur des Proletariats. Das war das Selbstverständnis der SED.

SPIEGEL: Haben Sie sich selbst als Staatsfeindin betrachtet?

Wanka: Nein, überhaupt nicht. Aber ich merkte schon früh, dass das System mir Grenzen setzte. Meine Mutter wollte nicht, dass ich zu den Pionieren gehe, und das wurde auch meine Überzeugung. Die Folge war, dass ich nicht auf die Oberschule durfte, trotz guter Zensuren. Meine Mutter schrieb Protestbriefe, sogar an Walter Ulbricht. Aber das hat nichts gebracht. Ge­holfen hat mein Vater: Er ist Mähdrescher gefahren und hat einmal das Feld des Kreisratsvorsitzenden gemäht. Als der ihn bezahlen wollte, sagte mein Vater: Ich will kein Geld, aber meine Tochter würde gern auf die Oberschule gehen. Das war dann möglich, unter einer Bedingung: Ich musste in die FDJ eintreten.

SPIEGEL: Ein kleiner Deal ...

Wanka: Ostdeutsche Realität. Ich erinnere mich gut daran. Beim Fahnenappell am ersten Schultag wurde ich als Einzige vor­ gerufen und förmlich in die FDJ aufgenom­men. Das war demütigend, weil ich mich bis dahin ja bewusst dagegen entschieden hatte. Aber sonst hätte ich kein Abitur machen und nicht studieren können. Dann wäre ich heute wahrscheinlich nicht Bundesbildungsministerin.

SPIEGEL: War der Weg in die Naturwissenschaft eine Flucht? Naturgesetze galten ja auch im Sozialismus.

Wanka: Ich bin gern Mathematikerin, aber genauso gern hätte ich Germanistik studiert. Ich hatte einen tollen Deutschlehrer. Und wenn man wie ich in einem kleinen Dorf aufwächst, dann sind Bücher und Literatur das Tor zur Welt. Aber was konnte man in der DDR als Germanistin  schon groß machen? Möglichkeiten zum Publizieren gab es kaum, oder sie waren gelenkt. Wer Glück hatte, kam in einem Kreiskulturhaus unter.

SPIEGEL: Haben Sie einmal daran gedacht, einen Ausreiseantrag zu stellen?

Wanka: Nein, das kam nie infrage. Die DDR war meine Heimat. Ich wollte immer, dass wir in der DDR was ändern, ich wollte nicht weg. Obwohl man schon manchmal ins Nachdenken kam, etwa, als mein Mann und ich das Disziplinarverfahren hatten.

SPIEGEL: Das müssen Sie erklären.

Wanka: Wenn die Studenten aus den Se­mesterferien kamen, gab es Politseminare, die sogenannte rote Woche, bei der wieder alle auf Linie gebracht werden sollten. Nor­ malerweise haben Genossen diesen Unter­richt gemacht,  doch 1986 wurden mein Mann und ich dafür eingeteilt. Wir quälten uns den ganzen August mit der Frage, was wir da machen könnten. Die Studenten kannten uns ja alle, zum Beispiel aus der Kirchengemeinde. Es war die Zeit von Gor­batschow, Glasnost. Wir machten dann ein Seminar, in dem kritisch über Wehrkun­deunterricht und die Stationierung der SS-20-Raketen diskutiert  wurde. Einer von der Parteileitung der Hochschule war da­ bei. Und dann schaltete sich die Stasi ein. Mein Mann und ich bekamen Disziplinar­verfahren angehängt, die mit einem stren­ gen politischen Verweis endeten. Es kam in die Akten, eine Karriere war versperrt, und ich durfte noch nicht einmal mehr nach Warschau reisen.

SPIEGEL: Hatten Sie Angst?

Wanka: Man überlegt schon: Was mache ich, wenn ich meinen Beruf verliere? Für mich wäre das ja noch gegangen, ich hätte in der Kirchengemeinde arbeiten können. Aber mein Mann? Mathematik war sein Leben, er hätte nicht einfach auf dem Friedhof Laub rechen können. Da haben wir nicht  konkret an Ausreise gedacht, aber viel geschlafen haben wir auch nicht.

SPIEGEL: Sahen Sie Möglichkeiten, in der DDR etwas zu verändern?

Wanka: Wir hatten  zum Teil irrationale Hoffnungen, wir achteten auf kleinste Zei­chen: Was änderte sich in der Literatur, in der  bildenden Kunst? Im Nachhinein ist mir klar, wie gering die Chancen waren, wirklich etwas zu bewegen. Wir dachten uns nur die ganze Zeit, dass ein Land in­ mitten Europas auf Dauer so eingesperrt sein kann, das kann nicht so bleiben.

SPIEGEL: Ärgern Sie sich heute manchmal, dass Sie sich zu sehr angepasst haben?

Wanka: Ärgern ist das falsche Wort. Diese Frage war ja in der DDR ständig im Hin­terkopf. Nimmt man im vorauseilenden Gehorsam zu viel hin? Ich war manches Mal Außenseiter, aber reicht das? Gerade als Gorbatschow in der Sowjetunion an die Macht kam, haben wir zu Hause viel diskutiert über die Frage: Setzen wir uns genügend zur Wehr?

SPIEGEL: Ihre Kinder durchliefen ebenfalls die sozialistische Schule. Hatten die ähnliche Konflikte wie Sie?

Wanka: Mein Sohn wollte etwas Künstleri­sches studieren, ohne Armeedienst zu machen. Die Chancen dafür waren gleich null. Ich habe damals hilflos überlegt: Was rätst du ihm? Sagst  du: Du musst zu deiner Überzeugung stehen, auch wenn dein Leben dann ganz anders verläuft, als du es dir erhoffst? Oder sagst du: Na ja, so schlimm ist es schon nicht, halt es aus, und vergiss es danach wieder. Der Herbst 1989 hat uns diese Entscheidung zum Glück ab­genommen.

SPIEGEL: Wo waren Sie, als die Mauer fiel?

Wanka: Zu Hause in Merseburg. Es war ein sehr zwiespältiges Gefühl. Erst einmal war ich völlig fassungslos. Dann voller Rührung, aber  auch sehr schnell voller Angst. Ich dachte nur: Jetzt gehen allweg, alle, die hier gebraucht werden. Die Ärzte, die Künstler. Und dann funktioniert es nicht, dann schaffen wir den Umbruch nicht. Unser Sohn kam nach Hause, völlig euphorisiert, und verstand gar nicht, wa­rum mein Mann und ich dasaßen und uns schon wieder Sorgen machten.

SPIEGEL: Wann war denn für Sie klar, dass der Umbruch unumkehrbar ist?

Wanka: Am 9. Oktober. Das ist für mich der wichtigste Tag während der friedlichen Revolution. Die Partei- und Staatsführung hatte entschieden, dass die  Montagsde­monstration in Leipzig an diesem Tag un­tersagt wird. An den  Ausfallstraßen von Leipzig standen die Kampfgruppen bereit, die Blutkonserven in den Krankenhäusern der ganzen Umgebung waren aufgestockt worden – und das wussten alle. In der Si­tuation sind trotzdem so viele Menschen wie noch nie zur Demo gegangen. An die­sem Tag ist die Mauer der Angst gefallen.

SPIEGEL: Sahen Sie  damals Alternativen zur Wiedervereinigung?

Wanka: Ich war begeistert von Helmut Kohls Zehn-Punkte-Plan und der Idee ei­ner Konföderation beider deutscher Staa­ten. Ich fand richtig, dass wir zunächst ein­mal selber aus der Situation, für die wir verantwortlich waren, herauskommen sollten. Die verseuchten Flüsse, die maroden Straßen, die kaputten Häuser. Meine Mei­nung war: Wir sind fleißig, wir schaffen das. Erst recht in einer Demokratie mit or­dentlichen Gerichten. Aber dann hat sich alles beschleunigt.

SPIEGEL: Der damalige bayerische  Ministerpräsident Max Streibl nannte die neuen DDR-Politiker Laienschauspieler ...

Wanka: ... und heute ist eine von ihnen Kanzlerin: Angela Merkel. Ohne die soge­nannten Laienschauspieler hätten wir die SED-Leute nicht aus den Ämtern drängen können.

SPIEGEL: Ärgerte Sie die Arroganz, die hin­ter solchen Tönen steckte? Der Westen hat dem Osten ja nicht mal symbolisch etwas gelassen, eine neue Nationalhymne etwa.

Wanka: Da gab es schon unangenehme Töne. Als überprüft wurde, ob unsere Be­rufsabschlüsse mit denen im Westen gleich­ wertig sind, alles bezweifelt wurde, habe ich mich manchmal gefragt: Wahrschein­lich  müssen wir jetzt auch noch das Schwimmzeugnis nachholen.

SPIEGEL: Sie waren die erste Ostdeutsche, die in ein westdeutsches Landeskabinett berufen  wurde, 2010 in Niedersachsen. Haben Sie da auch deutsch-deutsche Über­setzungsarbeit geleistet?

Wanka: Ich hatte schon die Sorge, ob ich zurechtkommen würde. Aber mit Freude habe ich gemerkt, dass sich alle für die Ostdeutsche interessierten. Ich habe dann oft von meinen Erfahrungen in Ostdeutsch­land erzählt. Da war ich so etwas wie eine Übersetzerin.

SPIEGEL: Sie sind erst 2001 n die CDU ein getreten, direkt nach der Spendenaffäre. Warum?

Wanka: Ich bin aus Solidarität mit der Volkspartei CDU eingetreten. Ich fand es gänzlich unakzeptabel, wie die Partei, die sich so für die Einheit eingesetzt hat, ab­ gestraft wurde. Es hat so lange gedauert, weil ich mich erst mal mit dem Gedanken anfreunden  musste, einer Partei anzuge­hören. 1989 wollten wir einfach mitgestalten. Diese Runder-Tisch-Mentalität war aber auf Dauer nicht haltbar. Unser Land ist als Parteienstaat organisiert, das musste ich akzeptieren. Man muss in einer Partei sein, wenn man etwas bewegen will.

SPIEGEL: Pflegen Naturwissenschaftler aus dem Osten einen anderen Politikstil als Volljuristen aus dem Westen?

Wanka: Ohne die Westjuristen hätten wir den  Neuanfang 1990 nicht geschafft. Ich sage das in großer Dankbarkeit. Die Ostdeutschen, die 1990 in die Politik kamen, waren schon ein besonderer Menschen­schlag. Wir Naturwissenschaftler waren nicht ideologiegetränkt, wir versuchen strukturiert  zu denken. Prägender als das Studium war aber, dass wir fast alle aus dem Berufsleben kamen.

SPIEGEL: Gibt es noch weitere Unterschiede zwischen Ost und West?

Wanka: In den alten Bundesländern ist meiner Meinung nach die Sorge vor Verände­rung bis heute viel größer. Da könnte der Westen auch ein Stück weit lernen, muti­ger zu sein, erkennen, dass sich auch etwas zum Positiven ändern  kann. Wir haben das hautnah erlebt, das fällt uns leichter.
SPIEGEL: Woran machen Sie das fest?

Wanka: An der  Diskussion in  westdeut­schen Ländern zum Beispiel, ob man auch nach acht Jahren Abitur machen kann. In Sachsen funktioniert das wunderbar.

SPIEGEL: Wie nehmen Sie Debatten über die richtige Kindererziehung oder das Betreuungsgeld wahr?

Wanka: Im Osten war es nie ein Thema, ob man eine Rabenmutter ist, wenn man nicht die ganze Zeit bei seinen Kindern Hause bleibt. Schön war es trotzdem nicht. Als ich meinen Sohn nach acht Wo­chen das erste Mal in die Krippe geben musste, habe ich auf dem ganzen Weg zur Arbeit  geheult. Deswegen sehe ich die Idealisierung der DDR-Krippen auch kri­tisch. Damals ging es nicht in erster Linie um das Kindeswohl, sondern darum, Frau­en in den Arbeitsprozess zu integrieren.

SPIEGEL: Können Sie DDR-Nostalgie denn in anderen Punkten verstehen?

Wanka: Nein, diese rückwärtige Idealisierung finde ich sogar traurig. Viele haben das Bild von 1989 vor Augen und vergessen an­ scheinend, wie es damals bergab ging. Man muss sich nur vorstellen, wie es weitergegangen wäre, wäre es nicht zur friedlichen Revolution gekommen. Unser Kulturerbe wäre weiter verrottet und für immer  ver­loren gewesen, um ein Beispiel zu nennen.

SPIEGEL: Wünschen  Sie sich  manchmal, dass die Kanzlerin ihre ostdeutsche Her­kunft ein bisschen mehr in den Vorder­grund rückt, mehr für Verständnis wirbt?

Wanka: Ich glaube, sie hat anfangs klar ge­sehen, dass sie auch Akzeptanz in den al­ten Bundesländern braucht. Ansonsten denkt sie bei allem immer auch das Ost­deutsche mit, auch im Kabinett, sie hat da­ für eine besondere Sensibilität. Wir rea­gieren  auf manche Dinge sehr ähnlich, etwa wenn Gregor Gysi über die "Faschisten" in der ukrainischen Regierung poltert. Das kennen wir aus der DDR - "Faschisten", das war das Totschlagargument ge­gen alle, die anders gedacht haben.

SPIEGEL: Wie sehen Sie heute die ehemali­ge Sowjetunion? Ist Russland wieder eine Bedrohung?

Wanka: Ich glaube, dass die Menschen in Russland die Auflösung der Sowjetunion, dieses riesigen Reiches, noch nicht  verarbeitet haben. Es gibt dort offensichtlich den Wunsch, Stärke zu demonstrieren, daher hat Putin hohe Zustimmungswerte. Ich hät­te aber nie gedacht, dass eine solche Situa­tion wie jetzt in der Ukraine noch einmal passieren kann: dass man im Europa zu Be­ginn des 21. Jahrhunderts Angst vor Krieg haben muss. Das war nicht vorhersehbar.

SPIEGEL: Frau Wanka,  wir danken Ihnen für dieses Gespräch.


Theo: Und siehst Du die Parallelen und Belanglosigkeiten?

Henning: Ja, durchaus. Aber jeder Mensch ordnet sein Leben und rechtfertigt unter eigenen Gesichtspunkten seine Erlebnisse und Vergangenheit. Und ist es schlimm, dass Frau Wanka aus ihrer Sicht eine verhinderte Widerstandskämpferin ist?

Theo: Nein, aber dann sollte sie sich nicht mit derartig schlechten Antworten auf ein solches Interview einlassen.

Henning: Stimmt, das Interview war schlecht. Aber hat nicht jeder Mensch das Recht, angehört zu werden.

Theo: Du musst nach dem Nutzen fragen. Frau Wanka diskreditiert die Linke und bringt nur die Standardvorteile der DDR.

Henning: Unterstellst Du ihr Tatsachenverfälschung oder gar ein mangelndes Geschichtsbewusstsein?

Theo: Nein, die DDR war schon irgendwie so, wie sie es beschrieben hat, aber auch Frau Wanka hat das damalige System mitgetragen. Und wenn sie sich heute derartig äußert, ist das doch irgendwie komisch, oder nicht?

Henning: Was erwartest Du? Das ist eben Politik. Wenn man in einer der beiden Unionsparteien ist, muss man sich eben sehr weit von der DDR und SED distanzieren.

Theo: Ja, aber auch die ostdeutsche CDU war eine Blockpartei.

Henning: Stimmt, aber sind Politik und Demokratie heute nicht ein Querschnitt unserer Gesellschaft?

Theo: So sollte es jedenfalls sein. Aber gerade von den Unionsparteien gibt es nur Plattitüden. Eben merkelsches Einheitsstreben, wie Du es in Deinem Blog einmal nanntest.

Henning: Die CDU ist eben gern konservativ, und solche Aussagen sind halt ebenfalls konservativ, im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht rückwärtsgewandt, sondern bewahrend.

Theo: Aber die Wanka macht sich unglaubwürdig. Die hätte noch bis zu ihrem seligen Ende in der DDR leben können und hätte nichts unternommen.

Henning: Das mag sein, doch wir waren nicht in einer solchen Situation. Uns steht also kein solches Urteil zu.

Theo: Na, die Gedanken sind frei. Aber Scherz beiseite. Wanka hat sich delegitimiert.

Henning: Freut Dich das nicht?

Theo: Das müsste es eigentlich, doch keiner kriegt diese Inhaltslosigkeit und Hohlheit mit.

Henning: So ist eben auch manchmal Demokratie. Manchmal laufen die Sachen gegen einen.

Theo: Na, gut.

Henning: Lass uns für heute Schluss machen.

Theo: In Ordnung, aber lass mich bitte noch eine Sache sagen.

Henning: Ja, bitte.

Theo: Wanka unterstellt Unfreiheit in der DDR…

Henning: Durchaus berechtigt.

Theo: … ja, aber sind wir heute so viel freier? In der DDR konntest Du Deinen Chef, aber nicht Erich Honecker als Arschloch titulieren. In der Bundesrepublik kannst Du Merkel als Arschloch bezeichnen, aber Deinen Chef nicht. Ist das Freiheit? In meinem Leben habe ich meine Vorgesetzten, Lehrer und Dozenten nie derartig beschimpft, aber unfrei bin ich trotzdem. Ich bin arbeitslos, weil ich manchmal zu oft meine Ansichten kundtat. Das Gefährlichste ist, wenn Du einer Person in der Hierarchieebene über Dir deren Unwissen aufzeigst.

Henning: Du meinst: Belehren, Besserwisserei, Klugscheißerei?

Theo: Ja, Chefs wollen unangetastet bleiben. Ob es ihnen zum Vor- oder Nachteil gereichen kann, egal. Das wollte ich nur loswerden. Danke.

Henning: Auch ich danke Dir trotzdem für dieses Gespräch.

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