Ja, da ist sie nun, die Aussage,
die durch die Republik eilte und vielerorts für Empörung sorgte. Zwei Sätze
bloß. Der erste Satz: „Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren.“ Und
der zweite Satz: „Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird,
tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte
bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?“
Das waren relativ unbedachte Äußerungen seitens des Bundespräsidenten Joachim
Gauck. Sie entspringen einem Menschen, der sich spätestens nach der Wende von
1989 gegen die DDR stellte. Doch solche Statements sind eines Bundespräsidenten
nicht würdig, weil er zur Überparteilichkeit verpflichtet ist. Das stellten
nach der Vorabmeldung am Samstag Politiker der Linken, SPD und Grünen einen Tag
später fest. Somit traf Gauck nicht nur die Partei „Die Linke“ und ihre
Anhänger, sondern auch gleich die Sozialdemokraten und Grünen. Schließlich wollten
all diese Parteien eine Koalition auf Vertrauensbasis aufbauen.
Doch Gauck unterliegt allein
schon mit seiner ersten Äußerung einem groben Gedankenfehler. Er unterstellt
seinen ostdeutschen Altersgenossen die gleichen politischen Ansichten, wie er
sie hat. In seiner zweiten Aussage liegt er auch falsch. Man kann die Linke
jedes Mal auf’s Neue diskreditieren, indem man ihr die Gretchenfrage stellt: „Wie
hältst Du es mit der Demokratie? Wie hältst Du es mit der Bundesrepublik? Wie
hältst Du es mit den bürgerlichen Freiheitsrechten?“ Und immer wieder kochen
diese Fragen medial und in der Bevölkerung hoch, obwohl sich die Linke
mehrheitlich zum bundesrepublikanischen System sowie zur Demokratie mit ihren
Freiheitsrechten bekennt. Es ist eine Neuauflage der Rote-Socken-Kampagne. Doch
stellte der ehemalige anhaltinische Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) im
Jahr 1994 der damaligen PDS eine derartige Frage, als es um Stimmen der PDS für
seine Minderheitsregierung ging? Stellte der designierte Ministerpräsident von
Mecklenburg-Vorpommern Harald Ringstorff (SPD) im Jahr 1998 ebenfalls der PDS
bei den Koalitionsverhandlungen diese Frage? Oder der Berliner Klaus Wowereit
(SPD) 2001 und 2002? Oder die Brandenburger Matthias Platzeck 2009 und Dietmar
Woidke (beide SPD) 2014? Bei diesen Regierungsbeteiligungen der PDS und
späteren Linken zeichnete sich nie eine Form der Unterdrückung wie in der DDR
ab. Die Linke hat sich bisher in ihrer parlamentarischen und Regierungsarbeit
bewiesen.
Doch man kann die zwei Sätze des
Bundespräsidenten auch zu sehr aufbauschen. Man sollte sich doch lieber das ganze Interview beim „Bericht aus Berlin“ anschauen. Und dann stellt man fest,
wie sehr Gauck in der Vergangenheit verhaftet ist. Immer ging es um die DDR und
die Wende. Es gab wenige Äußerungen zur Gegenwart und Zukunft. Abgesehen von
den zwei Sätzen über die Linke. Und so muss man sich fragen, ob mit Joachim
Gauck unsere Demokratie in ihr letztes Stadium eingetreten ist.
Gauck wirbt zwar für mehr politisches
Engagement, doch einen wirklichen Grund vermag er dafür nicht zu benennen. So
erscheint es, als ob die Demokratie ein göttliches Allheilmittel wäre und eine
bloße Abstimmung schon den Segen bringt. Freilich kann er aufgrund seiner
politischen Neutralität nicht für politische Inhalte werben. Allerdings kann er
eine Spanne an Entscheidungsmöglichkeiten aufzählen. Doch mit diesem schlechten
Werben für mehr Bürgerbeteiligung wälzt er die staatliche Verantwortung auf das
einzelne Individuum ab. In der Hoffnung, dass humanistische, idealistische oder
vergleichbare Einsichten und Erkenntnisse obsiegen. Doch Vernunftmenschen sind
eben nur Gutmenschen. Anhand von Gaucks Äußerungen erkennt man die Demokratie
nur noch als bloßen Selbstzweck für Politiker. Wählen, damit jemand an der
Spitze steht.
Mit dieser ideenlosen Politik, dem
Werben für mehr Engagement und dem Hoffen auf höhere Erkenntnisse wirkt Gauck
gleichwohl unherrschaftlich. Das mag in seiner Biographie begründet liegen.
Doch Politik beinhaltet auch Herrschaft und Macht. Die Entmündigung des Staates
und die Ermächtigung des Bürgers, wie sie Gauck propagiert, sind demnach
Anarchie im wahrsten Sinne des Wortes.
Die erste Halbzeit von Gaucks
erster Präsidentschaft ist mittlerweile vorbei. Viele andere ehemalige Bundespräsidenten
fielen durch Bejahung der Gegenwart und Zukunft auf. Richard von Weiszäcker
nahm teilweise den Deutschen ihre historische Schuld und schuf damit Zuversicht
für die Zukunft. Roman Herzog sprach vom Ruck, der durch Deutschland gehen
solle. Und Christian Wulff vom Islam, der mittlerweile natürlicher Bestandteil
unserer deutschen Kultur ist. Doch was bleibt von Gauck? Mal abwarten, doch mit
Sprüchen über die Linke schmeichelt er sich nicht in die Herzen der Bürger und
verschafft sich einen Eintrag im Geschichtsbuch. Dazu bedarf es mehr als die
gauck‘sche Anarchie.
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