Sonntag, 30. November 2014

Sorry – Die neue Belanglosigkeit einer Entschuldigung



Vor einiger Zeit wurde das Wort „danke“ in diesem Blog thematisiert. Erstaunlicherweise ist das Wort „bitte“ weitaus häufiger als sein dankendes Gegenwort. Wie ist es dagegen um das Wort „Entschuldigung“ bestellt. Laut Duden ist das Wort vergleichsweise häufig. Komisch! Dabei sagen heute doch fast alle nur noch „sorry“, wenn um Entschuldigung gebeten wird. Egal ob jung oder alt, männlich oder weiblich, sozialschwach oder reich, dieses Wort hat innerhalb von fast zehn Jahren seinen beinah absoluten Siegeszug gegenüber „Entschuldigung“ angetreten. Und immer, wenn man das Wort „sorry“ vernimmt, wirkt es so beiläufig und gleichgültig. Zumal die Aussprache von „sorry“ ganz schön deutsch klingt. Laut Duden ist das Wort „sorry“ jedenfalls seltener als sein deutsches Pendant.
 
Die Niederländer verwenden als Bitte um Verzeihung angeblich nur noch „sorry“. Aber macht es das alles besser?

Die Landlust und der Weihnachtsmarkt



Dieses Wochenende ist der erste Advent. Das ist gewöhnlich das Wochenende, am dem Münsters größter Stadtteil Hiltrup sein Lichterfest feiert. Das wird als traditionsreich beschrieben, obwohl es erst zum neunten Mal stattfindet. Tradition bedarf meines Erachtens nach etwas mehr, aber egal.


Und so war schon klar, was einen beim Winterzauber der Landlust erwartet. Tannenbäume, Glühwein und andere Weihnachtsmarktsachen. Und ganz wichtig: Ganz viele Abo-Stände des Landwirtschaftsverlags mit Buchauslagen.

Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass die Printprodukte des Verlags nicht schlecht gemacht sind. Gute, ansprechende Bilder und nachvollziehbare Erklärungen. Vergleicht man allerdings die Kochbücher mit denen von anderen Verlagen, stellt man fest, dass der LV kein Trendsetter ist. So mutig ist er nicht. Da ist es nicht verwunderlich, dass der Verlag bei einem Gewinnspiel eine Reise für zwei Personen nach München anbot. In München sitzt nämlich Gräfe und Unzer, die erfolgreichere Konkurrenz. Und dorthin schielen die Mitarbeiter des Hiltruper Verlags scheinbar auch, wenn es an die Erstellung von neuen Kochbüchern geht. So hat der Landwirtschaftsverlag seit 2013 nun auch ein Burger-Kochbuch, nachdem GU im Jahr 2014 die vierte Auflage seines Burger-Buchs herausbrachte. Beide Bücher sind äußerst ansprechend. Und so fragt man sich beim Kartoffelsalat-Kochbuch, was sich der LV da dachte. Kartoffelsalate sind absolut lecker. Dabei tut es keinen Unterschied, ob es nun die bayrische oder Essener Variante ist. Aber kann es der Bringer sein, wenn man dem Konsumenten 40 verschiedene Kartoffelsalate verkaufen will? GU hat nach seinem Erfolg mit „1 Nudel – 50 Saucen“ auch nicht „50 Nudelsalate“ herausgebracht. Aber vielleicht schenke ich meiner Mutter ja zu Weihnachten das Kartoffelsalat-Kochbuch vom Landwirtschaftsverlag. Ansonsten wird es auch das Burger-Buch vom gleichen Verlag, schließlich ist sie irgendwo verständlicherweise Fan vom LV.

Der restliche Winterzauber-Weihnachtsmarkt war auch irgendwie interessant. Er zeigte die Stationen der LV-Redakteure im letzten Jahr. Es fehlte nur der neue Traktor von John Deere. Das passt allerdings auch nicht in das Konzept der Landlust. Ansonsten war alles da, was die deutsche Großstadtgemütlichkeit benötigte. Filzkleider, Metzger und Schmuck. Ein Metzgereistand trug den Namen „Münsterländer“. Dessen Logo war ein Münsterland-Hund. Das verleitete mich zu Frage, ob der Metzgermeister auch wirklich echten Hund verwende. Das wurde nach einer Denkpause verneint.

Beim Schmuck gab es viel schmiedeeiserne Kunst. Außerdem noch Korkprodukte aus Hannover. Die Verkäuferinnen dieses Standes schienen auch die Betreiber des Geschäfts zu sein und kamen vermutlich aus Portugal, wo Korkbäume angebaut wurden. Ich freute mich für die beiden Portugiesen, dass sie wenigstens noch alle Fingerglieder besaßen. Das ist nämlich keine Selbstverständlichkeit im Korkgeschäft. Doch sicherlich haben deren Väter keine vollständigen Hände mehr.

Als die Sonne dann über Hiltrup unterging, strömten immer mehr Besucher auf den Weihnachtsmarkt. Also aß ich nur noch schnell eine Wildbratwurst, das absolute Highlight auf diesem Markt. Vermutlich bestand die Wurst überwiegend aus Wildschwein, doch das war echt lecker.

Wer also einen komisch weihnachtlichen Nicht-Weihnachtsmarkt einmal erleben will, dem kann ich den Winterzauber der Landlust empfehlen. Davon gibt es im nächsten Jahr sicherlich eine Neuauflage.

Der Soli bei Günther Jauch

Es ist Sonntag kurz vor 21.30. Gleich läuft die Talk-Runde bei Günther Jauch, dem blassen Gastgeber mit oftmals heißen Themen und lauen Inhalten zur guter Sendezeit. Es geht um den Soli, dem Solidaritätszuschlag, den alle Erwerbstätigen in Deutschland zusätzlich zur Einkommenssteuer zahlen müssen. Leicht zu verwechseln mit dem Länderfinanzausgleich. Denn das ist etwas anderes.

Im heutigen „Bericht aus Berlin“von der ARD wurde der schöne Osten Deutschlands und der durch Verfall bedrohte Westen beschrieben. Hier die glänzenden Fassaden und guten Straßen und dort die brüchigen Straßen und anderer Investitionsbedarf. Doch selbst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kreidete den Bericht über den Soli als mangelhaft an. Und fragt man Politiker der Bundesebene, so ist deren Urteil nüchterner als das der Politiker auf Landes- oder Kommunalebene. Dazu braucht man dann nicht unbedingt erst Gregor Gysi, dem Vorsitzenden der Linksfraktion, fragen.

Unbestritten ist der gesamtdeutsche Investitionsbedarf. Das ist ein politisches Versäumnis, dass dem Streben nach der „schwarzen Null“ geschuldet ist. Denn schließlich zwingt die Schuldenbremse auch Länder und Kommune zum Schuldenverzicht. Schwimmbäder werden dann gern als Beispiele angeführt, obwohl sie eigentlich keine Angelegenheiten des Bundes, sondern der Kommunen sind. Erst mit der Schuldenbremse erfahren kommunale Schwimmbäder eine Nationalisierung der anderen Art.

Der Soli hat allerdings noch immer seine Berechtigung, auch in den ostdeutschen Ländern. Anhand von drei Beispielen kann man den Investitionsbedarf sehr gut nachvollziehen. Schließlich ist das Lohnniveau in diesen Ländern geringer, weshalb die dortigen Landeskassen über weniger Geld verfügen. Und am Beispiel der Bundesstraße 321, die in Schwerin am Grünen Tal vorbeiführt, erkennt man die Notwendigkeit der Ausbesserung sehr gut an den tiefen Schlaglöchern. Und wenn man sich den Hintergrund zur Schweriner Stadionbrücke anschaut, leuchtet einem der Sinn der Solidarität mit Ostdeutschland ein. Der ADAC bemängelte diese Brücke regelmäßig als eine der schlechtesten Deutschlands. Es bedurfte einer langen Finanzierungsplanung in Schwerin, bis endlich der Abriss und der Neubau dieser Brücke beginnen konnten.

Wozu also noch die Runde bei Günther Jauch?

Beim Bio-Markt



Angeblich sind Bio-Produkte vergleichsweise günstig sowie erschwinglich oder gar nicht ‘mal so teuer. Das hängt ganz von der Betrachtungsweise ab. Da trifft es sich gut, dass schräg gegenüber von meiner Wohnung ein sogenannter Bio-Supermarkt ist. Ich selbst war ganze drei Mal dort. Öfter nicht, wirklich. Und immer ohne irgendeine Ware erworben zu haben. Denn der Laden wirkt immer etwas befremdlich. Darin riecht es ganz streng nach Eisen. Scheinbar frequentieren viele Vegetarier oder Veganer den Laden, weswegen die angebotenen Produkte geradezu von Eisen zu strotzen scheinen. Auf alle Fälle ist das Angebot spärlich auf zwei kleine Reihen verteilt. Neben Saisonfrüchten gibt es nur Bananen. Und diese sehen weder ansprechend noch abstoßend aus. Einfach nur nichtssagend.

Ganz besonders faszinierend ist allerdings die Kundschaft in diesem Laden. Sie verbindet Frauen und Männer. Westfalen mit Rheinländern. Norddeutschen mit Süddeutschen. Das war’s auch mit den Unterschieden. Ansonsten gibt es viele Gemeinsamkeiten, was die Kunden anbelangt. So etwa sind es meist Leute, die am Anfang ihrer zweiten Lebenshälfte stehen. Entweder sind deren eigenen Kinder aus dem Haus, weswegen sie sich neuerdings die Bio-Ware leisten können, oder es gab nie Kinder.

Eine weitere Ähnlichkeit ist deren dünne Figur. Vermutlich sind die Waren dort so teuer, dass sich die Kunden im Bio-Laden lediglich kleine Mengen kaufen können und entsprechend davon diätisch leben. Bei einer älteren Dame war dies am vergangenen Freitag, dem 28. November 2014, besonders auffällig. Sicherlich machte die Dame ihre Wochenendeinkäufe. Joghurt, Brot, Aufstrich und noch ein paar Kleinigkeiten. Es war alles nicht viel. Ihre Besorgungen füllte sie in eine Tüte vom Klamotten-Discounter Takko. Daran erkennt man gut, dass gesunde Bio-Nahrung eine Gegenrechnung hat. Was die alte Frau an kostengünstig produzierter Kleidung aus Bangladesch spart, gibt sie für ihre gesunde Bio-Nahrung aus. Sie spart sich das gute Essen vom Munde ab, könnte man meinen.

Jedoch zeugt der Konsum von Bio-Produkten davon, dass er nicht automatisch mit weiteren Einsichten einhergeht. Man könnte glauben, weil die Bio-Bauern, -Produzenten und -Verkäufer gern mit biologischer und sozialer Nachhaltigkeit werben, dass diese Einsicht auch beim Endverbraucher angelangt ist. Doch weit gefehlt. Die Probleme werden im konkreten Fall der Frau nur globalisiert und auf einen anderen Erdteil verfrachtet. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Mittwoch, 26. November 2014

Vorgestern Kobane, gestern Jerusalem, heute Ferguson, und morgen?



Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in Deutschland haben einen staatlichen Auftrag. Und zwar einen Bildungsauftrag. Sie sollen den Bürger mit Informationen beliefern und damit seiner politischen Meinungsbildung behilflich sein. Wenn es das ‘mal wäre!

Vielmehr scheinen die Reporter und Redakteure allzu sensationslüstern. Scheinbar geht es nicht mehr um Bildung und Inhalte, sondern um Quote. Vor fünf Wochen war Kobane in allen Medien. Die ARD übertrug einen Brennpunkt und malte den Teufel an die Wand. Letzte Woche Dienstag erfolgte ein schreckliches Massaker in einer Jerusalemer Synagoge, bei dem fünf Israelis starben. Große Berichterstattung dazu in allen Medien. Die ARD übertrug einen Brennpunkt und malte den Teufel an die Wand. Am heutigen Dienstag entschied eine Jury in den USA, dass der US-amerikanische Polizist Darren Williams aus Ferguson im US-Bundesstaat Missouri nicht angeklagt wird. Der weiße Polizist Williams hatte den unbewaffneten, schwarzen Jugendlichen Michael Brown mit mindestens sechs Schüssen getötet. Für deutsche Verhältnisse eine unvorstellbare Grausamkeit. Der Verzicht auf eine Anklage Williams war in allen deutschen Medien. Schließlich kam es in den USA landesweit zu Unruhen und Demonstrationen. Die ARD übertrug einen Brennpunkt und malte den Teufel an die Wand.

Das sind alles wirklich sehr schreckliche Ereignisse, bei denen Menschen starben. Unbestritten: Es ist wichtig, dass die Welt von all den genannten Ereignissen erfährt. Doch was soll uns eine derartige Aufbauschung dieser Nachrichten bedeuten? Am heutigen Dienstag begann im Bundestag die Debatte zum Haushaltsentwurf 2015. Es war ein kurzer Beitrag, dabei betrifft uns dieser Punkt unmittelbar. Das soll nun hier kein Aufwiegen von Menschenleben gegenüber Staatsfinanzen darstellen.

Doch die unverhältnismäßige Berichterstattung über Kobane, Jerusalem und Ferguson wirkt sensationslüstern, voyeuristisch, selbstgerecht, anmaßend und abgehoben. Es scheint, als wollten sich Tagesschau und Co. an den Toten ergötzen und dabei ihren Auftrag zur Meinungsbildung vernachlässigen. Und so kommt es oftmals vor, dass der Bericht eines gelangweilten Reporters über den Haushaltsentwurf erfolgt, während anschließend ein euphorischer Berichterstatter das aktuelle Fußballspiel kommentiert. Dabei ist Fußball ein äußerst langsamer und damit langweiliger Sport mit äußerst kurzer Halbwertszeit. Gleichzeitig ist Sport noch weniger relevant als jedes andere Ereignis in der Welt. Die Nachrichtenmacher brauchen also endlich einmal eine inhaltliche Neuausrichtung, damit der Haushaltsentwurf seine entsprechende Würdigung erfährt und die Geschehnisse in Kobane, Jerusalem sowie Ferguson nicht unerwähnt bleiben.

Die Schuld des Anderen



Über den Nahostkonflikt findet man viel Literatur. Noam Chomsky, Victor Ostrovsky, Tom Segev, Gershom Gorenberg und Rolf Verleger, um nur ein paar zu benennen.

Unter den genannten stechen Segev und Gorenberg besonders hervor. Segev ist eher als links-liberal einzuschätzen und steht der israelischen Friedensbewegung nah, während Gorenberg orthodox-jüdischer Israeli ist. Beide befassen sich in ihren Büchern mit dem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern und machen jeweils unterschiedliche politische Kräfte Israels als Schuldigen für die Stagnation bei den Friedensverhandlungen aus.

Segev weist dem konservativen Likud-Block und den orthodoxen bis ultra-orthodoxen Juden in Israel die Schuld zu, schließlich sind sie angeblich beseelt von der Wiederherstellung der historischen Größe Israels. Dagegen sagt Gorenberg aus, dass die säkulare Arbeitspartei mit David Ben-Gurion und seinen Nachfolgern Schuld am Konflikt tragen. Schließlich diene der Zionismus laut Gorenberg als Ersatzreligion für die säkularisierten Juden, die sich durch einen eigenen Staat ein Zusammengehörigkeitsgefühl erhoffen. Außerdem lehnen orthodoxe Juden eine jüdische Herrschaft ab, solange nicht der Messias daherkommt. So beschreibt auch Rolf Verleger den Zionismus. Ferner wurde das restliche Palästina unter der Regentschaft der Ministerpräsidenten von der Arbeitspartei Ben-Gurion und Jitzchak Rabin einverleibt, so Gorenberg.

Was ist, wenn sowohl Segev als auch Gorenberg recht haben und doch beide falsch liegen? Noam Chomsky spricht im Gegensatz zu Segev und Rabin von Falken und Tauben in den jeweiligen politischen Lagern. Das ist eine schwammige Bezeichnung, allerdings die genauest mögliche.

Und dient diese Schuldzuweisung innerhalb der israelischen Politikerkaste nicht auch der Verhinderung einer Friedenslösung? Ist das nicht der eigentliche Grund, weshalb es seit über 65 Jahren noch keinen eigenständigen Palästinenserstaat gibt?