Donnerstag, 24. Juli 2014

Die Fußballisierung der Gesellschaft bis zum Untergang



Gern glaubt man, dass uns der Fußball bereichert. Ja, okay, es ist ein kurzfristiges Amüsement von kurzer Halbwertszeit. Was vom Fußballspiel bleibt, lässt sich kaum bis zum nächsten Spiel bewahren. So lange reicht nicht einmal der Rausch oder der Kater von der nächtlichen Siegesfeier. Doch trotzdem geifern Fans nach der Berauschung durch den Fußball. Wenn die Sehnsucht vor dem nächsten Spiel zu groß und überwindbar scheint, kaufen sie sich einfach irgendetwas, womit die Assoziierung zum Fußball leichter fällt. Das kann mannigfaltige Ausgestaltungen annehmen. Es kann die Karte für das nächste Spiel oder Saison sein, ein Trikot, Fan-Anleihen oder gleich ein ganzer Verein. (Komisch, wie kann man einen Verein besitzen, wenn das Wort „Verein“ eine gemeinschaftliche Vereinigung beinhaltet?).

Dem Profi-Fußball fliegt so viel Geld zu. Hinzu kommen Sponsorengelder und Gelder aus den Übertragungsrechten. Und der Profi-Fußball bedarf immer mehr. Dies lässt sich nicht einfach durch das poplige Geld der Fans erzielen. Trikots und Karten reichen eben nicht aus, um dick Geld zu schneiden.

Der Finanzinvestor KKR, der in Hertha BSC 61 Millionen Euro investierte, scheint da noch vergleichsweise moderat (SPIEGEL 06/2014; S. 67). KKR setzt angeblich auf die Zukunft des Vereins, schließlich macht er sein Investment nicht von der Qualifikation für die Champions League abhängig und hofft auf steigende Einnahmen durch Sponsoren als auch TV-Übertragungen sowie die Vereinsnachwuchsförderung. Doch KKR sieht die Sache ganz locker und beziffert den Wert des Vereins auf 200 Millionen Euro. Wie soll die Hertha nach gewisser Zeit knapp ein Drittel seines Werts zurückzahlen können?

Viel mehr Wert dagegen ist der FC Bayern München. Laut einer Studie des britischen Brand Finance Institute ist der Verein 669 Millionen Euro wert. Das ist beachtlich. Doch wenn der Sachverhalt so einfach wäre. Schließlich schießt Geld keine Tore. Dazu bedarf es Spieler, die scheinbar immer teurer werden. Deswegen bedarf es kontinuierlich steigender Einnahmen. Doch die Eintrittskarten sind jahrelang preislich recht stabil. Insofern ist doch gut, dass es finanzstarke Geldgeber gibt. Nennen wir die einmal für den FC Bayern. Da ist das Sponsoring durch die Deutsche Telekom in Höhe von 20 Millionen Euro (Saison 2008/09). Und es gibt die Aktionäre Adidas, Audi und Allianz (jeweiliger Aktienanteil von 8,33 %). Aktienausgaben sind eine Finanzspritze der besonderen Art. Wann immer ein Unternehmen Geld benötigt, gibt es Aktien aus. Damit verkleinert sich zwar der Wert an den vorherigen Aktien, aber spült dem Unternehmen gleichzeitig Geld in den gierigen Rachen.

Nun lebt Bayern München ganz besonders von seinem Ruhm. Bei der Tagesschau, im SPIEGEL und anderen Medien fällt oft die Bezeichnung „Rekordmeister“ im Zusammenhang mit diesem Verein. Es suggeriert eine Erfolgsaussicht. Doch gibt es im Sport keine Erfolgsgarantie, wodurch bei Verlusten keine Geldforderungen seitens der Investoren erhoben werden können. Doch da Aktionäre im Gegensatz zu Investoren ganz andere Rechte haben, ist das ein zweischneidiges Schwert.

Der FC Bayern sieht sich deshalb sowohl aus eigenem Antrieb als auch wegen der Aktionäre, Sponsoren sowie zukünftige Investoren zum Gewinnen gezwungen. Doch was passiert, wenn das menschliche Geschick an seine Grenzen stößt und Fußballer wie Cristiano Ronaldo und Lionel Messi fortan das Maß aller Dinge sind? Dann schaut die Sache blöd aus. Es ist menschlich unmöglich, dass ein Torwart den Ball abstößt und der Ball dann im Slalomkurs durch die gegnerischen Spieler bis ins gegnerische Tor geht. Trotzdem wird immer mehr Geld in den Fußball fließen, weil eine Mannschaft ja theoretisch aus elf Ronaldos oder Messis bestehen kann.

Das lässt sich hochrechnen, bis alle drei deutschen Profiligen derartige Mannschaften haben und man dann feststellt, dass man doch besser in einen geschlossenen Schiffsfonds hätte investieren sollen.

Eine andere Möglichkeit der Finanzierung von Fußballvereinen ist die Fan-Anleihe. Schalke hat es 2010 getan, St. Pauli und Hansa Rostock 2011. Schalke und St. Pauli nahmen gute Summen ein, wie erhofft. Hansa Rostock dagegen erzielte nur ein Zehntel der Summe. Und zwarrund eine halbe Million Euro (Handelsblatt, 09.05.2012). Hansa geriet trotzdem in Schieflage, weil der Verein einerseits 1. Liga gewohnt war und andererseits aus Raffgier mehr Geld erhoffte. Im Jahr 2012 drohte die Insolvenz trotz Fan-Anleihen.

Wie andere Vereine auch bat der FC Hansa die Stadt Rostock um eine Bürgschaft, die gewährt wurde. Schließlich stellen sich Profi-Fußballvereine gern als Wirtschaftsfaktor dar. Doch Hansa hatte zu dem Zeitpunkt bereits Schulden in Höhe von 8,5 Millionen Euro und blieb der Stadt seit längerem Steuern schuldig. Ähnlich ist es beim FCB. Als Bayern München Miete für das staatliche Olympiastadion sparen wollte, baute es sich die Allianz Arena. Gleichzeitig zog der FC Bayern mit dem Bau des neuen Stadions die Stadt München über den Tisch. Der Verein erpresste die Stadt und drohte an, das Stadion außerhalb der Stadt zu erbauen. Das bedeutete ein Verlust an Steuereinnahmen für die Stadt.

Eine letzte Möglichkeit der Finanzierung ist die Ausweitung Spiele. Früher wurden die Spiele der Bundesliga nur in kurzen Zusammenfassungen ausgestrahlt. Dann kam das Bezahlfernsehen. Es folgten Ausstrahlungen von Spielen der Europa- und Weltmeisterschaften, irgendwelcher Länderspiele, des UEFA-Cups, Champions League, DFB-Pokal, bis vor nicht allzu langer Zeit das Relegationsspiel eingeführt wurde. Natürlich wird das auch im Fernsehen live übertragen. Das bringt ordentlich Kasse.

Das ist die Fußballisierung der Gesellschaft auf Gedeih und Verderb. Im antiken Rom gab es Brot und Spiele. Der Historische Materialismus besagt, dass sich die Menschheit von der Antike zum Mittelalter und vom Mittelalter zur Neuzeit stetig fortentwickelte. Doch die Omnipräsenz des Fußballs sind Spiele ohne Brot. Der Profi-Fußball ist ein Fass ohne Boden.

Fußball ist zwar ein langsamer Sport. Doch wäre es nicht viel interessanter, wenn dieser Sport weniger kommerziell und damit amateurhafter wäre? Es wäre nicht mehr gewiss, dass der FC Bayern überdurchschnittlich viele Spiele gewinnt. Gleichzeitig könnte dieser Verein beweisen, wie gut seine Nachwuchsförderung tatsächlich ist.

Nun freuen sich alle Bayern-Hasser. Doch gleiches gilt auch für ihre Lieblingsmannschaften.



Dieser Post wurde am Montag, dem 12. Mai 2014, auf meinem alten Blog (http://mein-woechentlicher-aufreger.blogspot.de) zuerst veröffentlicht. Da ich meine Zugangsdaten für den alten Blog verloren habe, erstellte ich einen neuen. Deshalb habe ich diesen Post hier erneut eingestellt, obwohl er vielleicht nicht mehr aktuell ist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen