Es war in der elften Klasse. Der
dritte Lehrer in diesem bestimmten Fach hatte gerade an unserer Schule
fußgefast. Es war der dritte Lehrer während eines Schuljahres. Und es war das
Fach, das in jedem Bundesland anders heißt (Sozialwissenschaften in NRW,
Sozialkunde in Bayern, Berlin und anderen ostdeutschen Ländern). Dieser Lehrer
war Herr Klameth. Er kam aus dem wunderschönen Frankfurt am Main, wo er bis
dahin an der Goethe-Universität im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften
tätig war. Er erzählte uns, woran er früher gearbeitet hat. Und zwar forschte
er zur Obdachlosigkeit. Dabei fand er heraus, dass Obdachlose mehrheitlich gut
ausgebildete Mitmenschen sind, die einen derben Tiefschlag in ihrem Leben
hatten. Weil vielleicht das eigene Kind oder der Partner gestorben ist. Das ist
traurig.
Als ich letztens einkaufen war,
sah ich einen heruntergekommenen Mann, der sich massenhaft mit Bier eindeckte.
Offensichtlich war er Alkoholiker. Ich habe ihn schon öfter gesehen, wie er an
Bushaltestellen und auf Bänken sein Bier konsumierte. Dabei pöbelte er niemals
herum. Stets war er vollkommen harmlos.
Beim letzten Mal, als ich ihn
sah, fiel mir auf, dass er von seiner Frau redete und gleichzeitig einen
Ehering sowie noch einen weiteren, ähnlichen Ring trug. Das machen viele Leute,
wenn der Partner verstorben ist. Beispielsweise trägt Helmut Schmidt seinen
Ring sowie den von seiner Loki.
Das wirft bei mir nun die Frage
auf: Ist der alkoholkranke Obdachlose aus meiner Nachbarschaft eine tragische
oder eine ausgeprägt romantische Person, weil er scheinbar über den Tod seiner
Partnerin nicht hinwegkommt.
Um das herauszufinden, sollte ich
Jesus zum Vorbild nehmen. Er ist auch zu den Obdachlosen, Bettlern und
Prostituierten gegangen (vgl. Lukas 7, 36-50). Die Bibel unterstellt Jesus
andere Intentionen, als es nun bei mir anklingt. Jedoch wäre das auch nicht
verwerflich, wenn Jesus Prostituierte mit einer sexuellen Absicht aufgesucht
hätte. Solange die Damen nicht gezwungen wurden und Jesus Single war, ist das
nicht sündhaft.
Liebe Leserinnen und Leser, das
soll also nicht heißen, dass ich Ihnen eine Rechtfertigung für den nächsten
Bordellbesuch erteile. Bloß weil Jesus auch bei Prostituierten war. Wenn Sie in
den Puff gehen wollen, machen Sie es doch wie Tracy Jordan aus „30 Rock“ in
Folge 1 der zweiten Staffel („Seinfeld Vision“). Dort fragt Tracy seine Chefin
Liz Lemon, nachdem er von seiner Frau rausgeworfen wurde und nun sein Quartier an
seinem Arbeitsplatz bezieht, wie lange sich beide nun kennen. Liz antwortet,
dass es bereits ein Jahr sei. Daraufhin Tracy: „Also weißt Du, dass ich ein
Herz für Tranvestitenstriche habe?!“ Liz wusste das natürlich nicht. Dann
antwortet Dotcom aus Tracys Entourage: „Das ist wahr. Er macht nichts mit
denen. Er will sie nur zu einem Computerkurs überreden.“
Liz: „Ah!“
Nun wieder Tracy: „Also am
Labour-Day-Wochenende [Wochenende um den Tag der Arbeit in den USA, erster
Montag im September; eigene Anmerkung] sehe ich diese junge Transe am
Müllcontainer an der 44. [Straße in New York; eigene Anmerkung]. Ich
fahre rechts ran und sage: ‚Du musst Dein Leben doch nicht so verstreichen
lassen. Du könntest auch ein artiges Muschilein werden und Daten eintippen. Wie
wäre es mit einem Job als Gerichtsreporterin? Glaub einfach an Dich selbst!‘“
Das ist natürlich nicht schlecht,
jedoch sollte ich mir eine bessere Ansprache einfallen lassen.
Dieser Post wurde am Dienstag, dem 20. Mai 2014, auf meinem alten Blog
(http://mein-woechentlicher-aufreger.blogspot.de) zuerst veröffentlicht. Da ich
meine Zugangsdaten für den alten Blog verloren habe, erstellte ich einen neuen.
Deshalb habe ich diesen Post hier erneut eingestellt, obwohl er vielleicht
nicht mehr aktuell ist.
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