Sonntag, 21. September 2014

„Ich will leben!“ – Ein Interview mit Theo, 30, arbeitslos



Seit Jahren kenne ich Theo. Gemeinsam studierten wir Geschichte. Am Anfang seines Studiums erkrankte er an Krebs. Doch sein Unglück setzt sich noch immer fort. Theo bat mich im Vorfeld des Gesprächs, nicht seinen vollen Namen bekannt zu geben.

Henning: Wie geht es Dir heute?

Theo: Mir geht es körperlich ganz gut. Doch was heißt das schon? Wenn man arbeitslos ist, ist die Gesundheit nebensächlich. Und jeder Tag ist gleichbedeutend. Mir ging es also auch gestern gut, und morgen wird es mir auch nicht schlechter gehen.

Henning: Du bist arbeitslos. Du bewirbst Dich also?

Theo: Ja, überall, wo passende Stellen auftauchen, bewerbe ich mich. Deutschlandweit, in Österreich, der Schweiz, Belgien, Luxemburg und so weiter. Seit meinem Abschluss im Jahr 2012 habe ich sicherlich an die 500 Bewerbungen geschrieben. Sicherlich habe ich am Anfang Fehler gemacht, weil ich bei den Bewerbungen nicht konkret genug war. Doch diese Fehler mache ich nun nicht mehr. Meine Bewerbungen sind immer mit besten Wissen und Gewissen verfasst worden. Sie sind sogar ansprechend und unkonventionell. Ich schreibe keine Bewerbung mit dem falschen und langweiligen Einstieg: „Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit möchte ich mich auf die Stelle bewerben.“ Da es ein allzu bekannter Satz ist, scheint der Satz noch immer große Verwendung zu finden. Doch willst Du ein paar meiner Bewerbungen sehen, damit Du weißt, wie toll sie sind?

Henning: Ja, bitte.

Theo zeigte mir dann seine Bewerbungen, von denen ich einige unten angefügt habe.

Henning: Erhältst Du Unterstützung?

Theo: Ja, ich beziehe Arbeitslosengeld II plus Geld für die Miete. Außerdem kriege ich ideelle Unterstützung aus dem Freundeskreis und meiner Familie. Doch leider… Jedenfalls ist von staatlicher Seite keine signifikante Unterstützung zu spüren. Da werden einem irgendwelche Maßnahmen angeraten, die letztendlich keine Früchte tragen. Hast Du die Reportage „Der Arbeitsmarktreport – Das Märchen vom Fachkräftemangel“ auf der ARD gesehen? Dann weißt Du, dass in einer Welt mit vorgetäuschtem Arbeitskräftemangel nur Menschen eine Arbeit finden, die Arbeitslosen in die Erwerbstätigkeit helfen wollen. Doch das ist eine Verarschung der Hilfesuchenden.

Henning: Deine Verärgerung und Frustration ist verständlich. Wie sieht Dein Alltag aus?

Theo: Ob ich nun früh aufstehe, ist vollkommen egal. Denn es macht eh keinen Sinn, dabei hatte ich während meiner Schul-, Zivildienst- und Uni-Zeit nie ein Problem damit, früh aufzustehen. Und eigentlich ist es sogar ganz angenehm, spät aufzustehen. Dann ist wenigstens der halbe Tag bereits um. Diese Zeit reicht dann noch immer, um dringende Gespräche zu führen.

Henning: Und wann machst Du denn dann Deine Einkäufe, wenn Du so spät aufstehst?

Theo: Meistens nach dem Aufstehen. Dann ist es ja noch immer vergleichsweise ruhig. Aber Einkaufen ist immer eine zu große Versuchung. Ich habe doch auch Träume. Und beim Einkaufen verdeutlicht sich es mir, dass ich mir nicht alles leisten kann. Zumal die Teuerungsrate trotz propagierter Gefahr einer Deflation stetig steigt. Dabei wurde mir immer gesagt und vorgelebt, dass das Leben so viel zu bieten hat.

Henning: Du meinst damit Deine Krebserkrankung?

Theo: Nicht direkt, aber danke der Nachfrage. Als ich die Diagnose Krebs erhielt, wusste ich nicht, ob ich in Behandlung gehen soll oder nicht. Ich tat es meinen Eltern zu Liebe. Sie sind echt tolle Menschen. Mein Vater meinte zu mir: „Manchmal müsse man einen Abstieg in Kauf nehmen, um später höhere und größere Ziele zu erreichen.“ Doch was habe ich erreicht? Gar nichts. Ich stehe auf unbestimmte Zeit auf dem Abstellgleis. Und nichts deutet daraufhin, dass sich irgendetwas daran ändern wird.

Henning: Wie geht es Dir damit?

Theo: Ich würde so gern die Welt bereisen. Es gibt trotz allem so vieles, was ich noch nicht gesehen habe. Doch meine Reisen führen mich lediglich in meine Heimat. Und dort bin ich dann zwar froh, der Angst vor der Arbeitslosigkeit entflohen zu sein. Doch gleichzeitig habe noch immer Angst, weil ich wieder zurückmuss. Also selbst bei „Urlaub“ erfahre ich keine Erholung.

Henning: Und wie willst Du Deiner Situation entrinnen?

Theo: Ich warte nun die offenstehenden Bewerbungen ab. Vielleicht bemühe mich um einen Bildungsgutschein, der eigentlich notwendig ist. Doch das Jobcenter sponsort lieber irrsinnige und nutzlose Maßnahmen, anstatt ein einziges Mal richtig Geld in die Hand zu nehmen. Lieber alimentieren die mich mein restliches Leben, als einmal 5000 € in mich zu investieren. Dabei mache ich doch immer alles, was die sagen.

Henning: Was für Alternativen hast Du?

Theo: Vielleicht bemühe ich mich bei Brot für die Welt um eine Stelle als Entwicklungshelfer und lasse mich an den Arsch der Welt verschicken. Wenn unsere Gesellschaft so gut auf mich verzichten kann, dann hat Deutschland es auch nicht verdient, dass ich länger Teil von ihm bin.

Henning: Hast Du keine Angst?

Theo: Wovor? Ich schlafe doch eh schon schlecht. Ich liege oftmals Nächte lang wach. Und wenn ich dann schlafe, dann sind es allzu obskure Träume. Darin bin ich natürlich der Hauptdarsteller. Manchmal als Widerstandskämpfer in einem faschistoiden System, ‘mal Geisel bei einer Geiselnahme, ‘mal gibt es Fliegeralarm, ‘mal eine militärische Bodeninvasion. Was soll mir also in dieser Welt noch passieren?

Henning: Das klingt hart. Was für Konsequenzen haben Deine Träume?

Theo: Ich glaube, dass meine Träume bereits Konsequenzen sind. Jedenfalls bin ich Single, und das ist auch gut so. Ich wäre ein sehr unpassender Partner für jede Frau. Außerdem – was soll ich der Frau schon sagen? Als Verlierer bin ich doch gebrandmarkt.

Henning: Du bist doch kein Verlierer!

Theo: Ach, ja? Bloß weil ich den Krebs überstanden habe und Akademiker bin? Ich finde es scheiße, dass irgendwelche phantasielosen Kommilitonen Glück hatten. Die haben nicht die Zusammenhänge so gut hinbekommen wie ich. Bei Fragen standen die oftmals mit großen Augen da. Die konnten lediglich sehr gut irgendwelche Sache rezitieren. Doch das sind nur Tonbandansagen und keine geistigen Leistungen. Die haben nicht so viel Intellekt wie ich.

Henning: Ach, ja?

Theo: Ja, ich habe letztens einen Intelligenztest gemacht. 150 Punkte exakt kamen heraus. Damit bin ich mehr als überdurchschnittlich, dabei habe ich nebenbei – während des Tests – gegessen. Außerdem habe ich angeblich eine sehr hohe Auffassungsgabe.

Henning: Vielleicht mögen die Chefs keine Überflieger.

Theo: Das bin ich nun auch nicht, aber Arbeitgeber wünschen sich selbstloses Arbeitsvieh. Dabei profitierten sie so stark durch mich.

Henning: Vielleicht krempeltest Du deren bisherige Arbeitsleistung zu sehr um.

Theo: Vielleicht, doch das weiß ich doch nicht.

Henning: Was würdest Du für Deinen Traumjob denn alles geben?

Theo: Also, Krebs möchte ich nicht noch einmal. Das mache ich nicht noch einmal mit. Aber für meinen Traumjob würde ich allerhand Zugeständnisse mache. Aber das Erlangen eines Traumjobs sollte nicht zur eigenen Selbstaufgabe führen.

Henning: Also geringere Bezahlung, weniger Urlaub und mehr Überstunden?

Theo: Das wird doch jedem Berufseinsteiger abverlangt!

Henning: Was willst Du dann konkret…

Theo: Soll ich Dir etwa meinen Erstgeborenen überlassen? Ich bin ein Mensch und habe etwas Würde und Respekt verdient.

Henning: Aber das leuchtet doch keinem Vorgesetzten ein.

Theo: Ja, so scheint es wohl zu sein.

Henning: Würdest Du Dein Leben noch einmal leben wollen?

Theo: Nein, ich sagte ja, dass ich nicht noch einmal Krebs haben will. Aber sicherlich würde ich die eine oder andere Frau eher ansprechen, falls ich noch einmal leben muss.

Henning: Ah, die große Liebe?

Theo: Scheinbar habe ich die wohl bislang verpasst.

Henning: Und ist etwas in Aussicht?

Theo: Nein, vielleicht die eine aus dem Supermarkt in meiner Umgebung. Aber was soll ich der sagen? „Ich bin Theo, Historiker und arbeitslos.“? Da kann ich es auch gleich bleiben lassen. Weißt Du, was das Blöde ist?

Henning: Erklär es mir bitte.

Theo: Ich bin Protestant. Und obwohl ich Lutheraner bin, finde ich eine Geschichte, die den Reformierten sehr wichtig ist, toll. Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten (Matthäus 25, 14-30)

Henning: Ich kenne die Geschichte.

Theo: Jedenfalls möchte ich so gern meine Talente nutzen, um meinem Herrn und mir gerecht zu werden. Doch mir bleibt nichts anderes übrig.

Henning: Vielleicht ist es bei Dir wie bei dem reichen Mann und dem armen Lazarus (Lukas 16, 19-31). Auf der Erde musste Lazarus betteln und darben, während der reiche Mann nicht teilen wollte. Dafür kam der Reiche in die Hölle, während Lazarus in den Himmel kam. Du weißt, allein durch den Glauben kommt man in den Himmel.

Theo: Nein, durch den Glauben werde ich gerechtfertigt. Außerdem hat Luther einen Kunstgriff bei der Bibelübersetzung gemacht, indem er das Wort „allein“ in den Römerbrief 3 hinzufügte. Jedenfalls soll ich als Mensch durch die Gnade Gottes errettet werden. Aber egal, soll ich etwa nun auf das Himmelreich warten?

Henning: Das kann ich Dir auch nicht beantworten.

Theo: Siehst Du.

Henning: Theo, mir bleibt nur, Dir aufrichtig alles Gute zu wünschen. Bedenke aber, Du hast so vieles durchgemacht, da brauchst Du nicht mehr alles machen.

Theo: Das wäre zwar schön, aber ich will lediglich mein Leben. Ich will leben.

Henning: Theo, vielen Dank für das Gespräch, das ich veröffentlichen darf. Und ich wünsche Dir alles Gute.

Einige von Theos Bewerbungen:


1.     An die Gewerkschaft Ver.di:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich will Gewerkschaftssekretär werden! Wenn man mich Ver.di-Mitglied aus Münster, heute nach dem Ende meines Studiums, aber auch schon seit längerem fragt, was mein innigster Berufswunsch ist, so antworte ich: „Gewerkschafter.“ Das scheint mir im Gegensatz zu meinem weltfremden Kindheitstraum, Astronaut zu werden, am realistischsten. Wozu das utopische Ziel, zu den Sternen zu reisen, wenn es auf unserer Welt so viel soziale Ungerechtigkeit gibt, die ich als Gewerkschaftssekretär bekämpfen kann? Es bedarf keiner spektakulären Reisen zu fernen Sternen, weil mein Traum von einem Maximum an Harmonie und sozial nachhaltigem Ausgleich in unserer gemeinsamen Welt so viel dringlicher ist.

Deswegen biete ich Ihnen gern meine folgenden Fähigkeiten zur Unterstützung an. Als Gesellschaftswissenschaftler vermag ich, Ihnen mein Wissen für Ihre grundlegende Kulturarbeit anzubieten. Als Volkskundler und Ethnologe mit meinen außergewöhnlichen Sprachkenntnissen bin ich für Sie eine Bereicherung für den internationalen Austausch mit unseren Schwesterorganisationen im Ausland. Als Historiker habe ich die Fähigkeit erlangt, die komplexen sozialen Entwicklungen in der Welt zügig und schlüssig zu überblicken. Als politisch besonders stark interessierter Mensch lese ich wöchentlich den SPIEGEL und zahlreiche Sachbücher, schaue die Tagesschau und Reportagen wie das Auslandsjournal als auch den Weltspiegel, setze mich also mit der Zeitgeschichte und meinem sozialen Umfeld auseinander. Dadurch habe ich einen starken Eindruck von innen- und außenpolitischen Entwicklungen vermittelt bekommen. Als fortschrittlich geprägter Mensch kenne ich auch keine sozialen, nationalen, ethnischen, kulturellen, religiösen oder Bildungsgrenzen. Und als Gewerkschaftssekretär weiß ich, daß es sich dafür zu kämpfen lohnt. Denn bei weitem nicht alles ist sozial, was Arbeit schafft. Gemeinsam mit Ihnen möchte ich eine Zwei-, Drei- oder Mehrklassengesellschaft verhindern. Da hilft kein Beten, sondern nur das gemeinsame, geschlossene, starke Handeln der Gewerkschaften, die mit ihrem beherzten, arbeitsintensiven Engagement unsere Welt verbessern.

Mental bin ich bereits Gewerkschafter. Nach außen hin trete ich schon jetzt für die Gewerkschaften des DGB mit seinen weiteren Assoziierungen ein. Nun ist es mein dringlichstes Ziel, aktiver Gewerkschafter zu sein.

Ich freue mich sehr, wenn Sie das genauso wie ich sehen und mich zu einem persönlichen Gespräch einladen sowie die Möglichkeit für eine gemeinsame Zukunft und Tätigkeit geben.

Mit kollegialem Gruß,

Theo

P.S.: Die Rohfassung dieser Bewerbung habe ich mit einem Kugelschreiber der Ver.di geschrieben, während ich Kaffee aus einer Ver.di-Tasse trank.


2.       Ebenfalls eine Bewerbung an die Ver.di:

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

eine Begebenheit vom Freitag, dem 29. Juni 2012, nehme ich Ver.di-Mitglied aus Münster, zum Aufhänger für meine Bewerbung als Jugendsekretär zur Einarbeitung. An dem Tag besuchte ich eine Veranstaltung beim Career Service der Universität Münster. Diese Einrichtung soll jungen Akademikern beim Berufseinstieg behilflich sein. Während des Seminars stellte ich die Bedrückung der jungen, angehenden Arbeitnehmer fest. Der Großteil der Teilnehmer befürchtete Ausbeutung, obwohl sie diesen Ausdruck aus ihrem politischen Bewusstsein heraus ablehnten. Das betrübte mich als aktives Mitglied im Ortsverein, an dessen Terminen ich neben anderen Veranstaltungen im Bezirk wie den Bildungsveranstaltungen regelmäßig teilnehme und dessen Homepage ich unter anderem betreue, sehr. Schließlich verkannten die Besucher dieses Kurses die bisherigen Errungenschaften der Gewerkschaften vollkommen, wenn sie eine Gefahr für ihre Work-Life-Balance sahen. Denn es ist den DGB-Gewerkschaften zu verdanken, dass unter anderem samstags Vati den Kindern gehört. Das eigentliche Problem war viel mehr die Unwissenheit dieser jungen Mitmenschen, die ihnen in einem Arbeitsprozess zum Nachteil gereichen kann. Und hier setzt die von mir angestrebte Tätigkeit als Jugendsekretär an, damit ich mir deren Sorgen, Nöte sowie Probleme verinnerliche und durch Solidarität sowie Mitbestimmung dagegen angehe. Denn als Verdi-Mitglied und wegen der Prägung durch meinen Vater, einen gewerkschaftsnahen Juristen am Arbeitsgericht Schwerin, konnte ich dieses Bild nicht auf der Ver.di und ihren DGB-Schwestergewerkschaften ruhen lassen. Also folgte eine streitbare Stellungnahme für die Gewerkschaften meinerseits. Ich hoffe jetzt, dass ich wenigstens ein paar der Anwesenden erreicht habe. Denn Gewerkschaften leben in besonderer Form vom persönlichen Engagement ihrer Mitglieder. Meine Aufmerksamkeit als Jugendsekretär wird nicht nur Studenten gelten. Sie gilt natürlich auch Auszubildenden und anderen jungen Arbeitnehmern, denn deren Betreuung muss zumindest im gleichen Maß gewährleistet werden. So sind atypische Arbeitsverhältnisse und schlechte Betreuung während der Ausbildung sicherlich die größten Sorgen junger Arbeitnehmer. Um dies in Erfahrung zu bringen und mich für eine passende Strategie zu entscheiden, werde ich in die Betriebe zu den jungen Arbeitnehmern gehen. Ein weiteres Augenmerk werde ich dem Gender Mainstreaming und der stärkeren Einbindung von jungen Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund widmen, die erfreulicherweise immer stärker Einzug in unsere Arbeitswelt halten. Für junge Arbeitnehmer, Auszubildende und Mitglieder will ich fortan eine feste Bezugsperson sein. Bitte geben Sie mir die Chance, für Sie tätig zu werden, damit wir gemeinsam unsere dringlichsten Probleme angehen können.

Ich freue mich, wenn ich Ihr Interesse geweckt habe, Ihnen meine Bewerbung gefallen hat und sie mich deshalb bald zu einem persönlichen Kennenlerngespräch einladen.

Mit kollegialem Gruß


3.       Eine Bewerbung die Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG):


Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen,

seit Ewigkeiten begeistere ich frischer Absolvent der Neueren & neuesten Geschichte, Volkskunde/Europäischen Ethnologie und Ethnologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, mich für eine Stelle als Gewerkschaftssekretär bei einer DGB-Gewerkschaft. Und als ich Eure Stellenausschreibung im Internet vorfand, fragte ich mich, wie man die NGG und mich unter einen Hut bringen kann. Und die Antwort ist ganz einfach: Ich erfülle zumindest die zwei Buchstaben und stehe für das N sowie G. Keine Angst, ich weiß, mit welchem Buchstaben meine Namen beginnen. Nein, ich stehe für Nahrung sowie Genuss und müsste aufgrund dessen allein schon bestens zur NGG passen, wie ich es dem Münsteraner Sekretär Mohammed am 01. Mai 2012 vor dem örtlichen DGB-Haus sagte. Der französische Soziologe und Ethnologe Marcel Mauss bezeichnete Essen einmal als „totales gesellschaftliches Phänomen“. Doch dies ist auch die Arbeit, die unsere Kollegen leisten, indem sie unsere Nahrung veredeln, zubereiten und servieren, indem sie uns ein wohliges Gefühl schenken, wenn sie uns in Hotels bedienen oder kleine Dickmacher produzieren. Und deswegen stehe ich vollkommen hinter unseren Kollegen und will unbedingt Gewerkschaftssekretär werden. Denn ich sehe beispielsweise als ehemaliger Schweriner nicht ein, dass die dortige Filiale der Oettinger Brauerei geschlossen werden musste und damit viele Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verloren, nur weil die Produktion zu Lasten ehrlicher Arbeiter andernorts billiger vonstattengehen muss. Schließlich ist die Alkoholproduktion ein krisensicheres Gewerbe, weil in guten sowie in schlechten Zeiten Alkohol verköstigt wird. Auch wenn Oetti ein Billigbier ist und ich die Marke Lübzer bei weitem bevorzuge, so ändert dies nichts an der qualitativ wertvollen Arbeit dieser Mitarbeiter.

Wie Ihr anhand dieser Äußerung erkennen könnt, bin ich mit den Arbeitsfeldern der NGG sehr gut vertraut und identifiziere mich vollkommen mit der Gewerkschaftsarbeit. Ferner bin ich als Ver.di-Mitglied aus Nordrhein-Westfalen neben meinem Ehrenamt im Ortsverein Münster und Betreuung dessen Homepage in der Projektgruppe U-35 ehrenamtlich tätig. Diese Arbeitsgruppe setzt sich eine langfristige und -andauernde Jugendarbeit zum Ziel, weil die Mitgliederzahlen der Ver.di ab dem 28. Lebensjahr stark einbrechen. So stellten wir fest, dass die Ver.di es versäumte, die jungen Kollegen aus der Jungend- und Ausbildungsvertretung und den Jugendgruppen der Gewerkschaft mitzunehmen. Vor dem gleichen Problem stehen ebenfalls viele unserer Schwesterngewerkschaften. So auch sicherlich die NGG, die mit einer stark alternden Mitgliederstruktur zu kämpfen haben muss. Dagegen will ich als Gewerkschaftssekretär angehen, damit auch weiterhin die NGG und ihre Schwestergewerkschaften innerhalb des DGB staatstragend gestalterisch und tonangebend bleiben. Dafür biete ich Euch mein hohes Maß an kommunikativer, sozialer und interkultureller Kompetenz, mein durchorganisiertes, durchsetzungsstarkes, selbständiges und trotzdem teamfähiges Arbeiten sowie ein gewinnendes Auftreten. Als letztes biete ich Euch noch meine starke Auffassungsgabe, weil ich komplexe soziale Zusammenhänge schnell begreife und Anforderungen zügig umsetzen kann.

Ich freue mich sehr, bald von Euch zu hören oder zu lesen. Schließlich will ich unbedingt Eure ausgeschriebene Stelle als Sekretär zur Ausbildung besetzen.

Mit kollegialem Gruß


4.       Abschließend noch ein Motivationsschreiben an den Bundesnachrichtendienst (BND):


Sehr geehrte Damen und Herren,

viele Menschen denken an Action und Außendienst, wenn sie von Geheimdienstarbeit hören. Das ist eher Hollywood. Genauso falsch ist mit großer Wahrscheinlichkeit auch das Bild von Ihnen als minderbegabte Verwaltungsbehörde oder Teppichlieferant, welches in der deutschen und internationalen Öffentlichkeit gezeichnet wird. Dies läßt sich unter anderem durch die Verhandlungen zwischen dem Staat Israel und Hamas zur Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Schalit belegen, bei denen Mitarbeiter des BND als Vermittler zwischen beiden Streitparteien auftraten. Es stellt sich deshalb die Frage, wer schon hinter die Mauern von Pullach geschaut hat. Zumal der Insider-Bericht von Norbert Juretzko auch eher eine subjektive Beschreibung des eigenen Werdegangs ist. Wie Sie gerade lesen, gebe ich mich nicht einem prestigeerheischenden sowie romantischen Berufsbild als Geheimdienstmitarbeiter hin. Denn ich habe nie James Bond oder die Filme von Tom Cruise gesehen. Ich habe mich vielmehr sachlich der Arbeit von Geheimdiensten angenähert. Das erfolgte auf der Grundlage von zahlreicher Lektüre wie Monographien, der Wochenzeitung DER SPIEGEL und leider auch von Verschwörungstheorien wie der von Udo Ulfkotte. Dadurch erlangte ich die Begeisterung für die Geheimdienstarbeit. Diese verstehe ich als verlängerten Arm der Außenpolitik, wie es Christopher Andrew in seinem „Schwarzbuch des KGB 2“ 2006 beschrieb. Für Politik und fremde Kulturen interessiere ich mich bereits seit meinem zehnten Lebensjahr. Inzwischen sind fast 18 Jahre vergangen, in denen ich das tagtägliche Bedürfnis habe, die Tagesschau zu sehen sowie wöchentlich den Bericht aus Berlin, den Weltspiegel und das Auslandsjournal. Doch das tägliche Fernsehen und die wöchentliche Lektüre reicht mir nicht mehr aus. Ich will hinter die Kulissen schauen, ich will tiefer in die Materie eindringen. Schließlich stehe ich voll und ganz hinter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik und ihrem Sozialstaat. Deswegen bewerbe ich mich bei Ihnen als Politologe. Ich bringe Ihnen dazu mein frisch abgeschlossenes Studium der Neueren & neuesten Geschichte, Volkskunde/Europäischen Ethnologie und Ethnologie von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit. Diese Fächer lassen mich heute politische und soziale Konflikte schneller durchschauen und schlüssig erklären. Und im Gegensatz zu studierten Politologen verlasse ich mich bei meiner Analyse nicht auf Schätzungen durch irgendwelche Modelle sondern belege diese durch Tatsachen, wie es das Handwerk von Historikern erfordert. Ferner verfüge ich über passende Fremdsprachkenntnisse wie Russisch und Arabisch, die bei dieser Arbeit für Sie von großem Vorteil sein können. All diese Fähigkeiten von mir will ich für Ihre Behörde einsetzen, damit auch weiterhin die Bundesrepublik sicher bleibt und ihr Wohlstand beständig ausgebaut werden kann. Als Ihr Mitarbeiter gilt meine Loyalität ausschließlich dem Bundesnachrichtendienst und keinem Partnerdienst, so hinreißend deren Bild auch sein mag. Die Treue zur Bundesrepublik war mir bereits während meines Zivildienstes klar, denn dies war kein Aufbegehren gegen die staatliche Obrigkeit sondern die Ablehnung des Dienstes an der Waffe durch mich als evangelisches Gemeindemitglied. So befürworte ich, daß die Arbeit beim Bundesnachrichtendienst laut dessen Gesetz kein Waffendienst beinhaltet. Dieser Punkt stellt also somit kein Problem dar.

Ich freue mich, wenn ich Sie mit meinem Motivationsschreiben innerlich berührt und vielleicht auch angesprochen habe. Wenn dem so ist, freue mich sehr, daß Sie mich bald zu einem persönlichen Kennenlerngespräch einladen.

Mit freundlichen Grüßen

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