Dienstag, 2. September 2014

Zu Gast bei der Nationalen Kohorte



Am Freitag, dem 01. August 2014, erhielt ich einen sonderbaren Brief. Absender: Nationale Kohorte. Das warf in mir Fragen auf: „Huch, was hast Du nun schon wieder angestellt? Das klingt so rechtslastig. Hast Du im Suff wieder Bart Simpson oder Tracy Jordan gespielt? Du hast doch in der letzten Zeit gar nicht exzessiv Alkohol konsumiert!“ Auf dem zweiten Blick sah ich die Adresse der Universität. Die Verleihung einer Doktorwürde oder die Berufung zum Professor schien mir zu unwahrscheinlich. Hatte ich etwa vergessen, mich auf korrekte Weise zu exmatrikulieren? Das liegt doch schon Jahre zurück und dürfte gegebenenfalls verjährt sein. Also öffnete ich den Brief.

Laut dem Anschreiben bin ich einer von 200 000 durchschnittlichen Bundesbürgern, die um die Teilnahme bei einer medizinischen Langzeitstudie gebeten wurden. Die Untersuchungen beinhalten das volle Programm, um die Entstehung von sogenannten Volkskrankheiten wie Diabetes, Krebs, Demenz oder sonstige frühzeitig zu erkennen und diese anständig behandeln zu können. Die Untersuchungen erfolgen bei den Epidemiologen und Sozialmedizinern. Also fragte ich bei meinem guten Freund Professor Andreas Faldum nach. Herr Faldum ist studierter Mathematiker und Mediziner, außerdem ist er als Biostatistiker berufstätig. In diesem Job hat er eine andere Herangehensweise als die Epidemiologen. Während die Epidemiologen schauen, welche Bedingungen im Vorfeld bestanden und zur Krankheit führten, denken die Biometriker vom Ende her und werten die Krankheiten sowie Behandlungen am Ende aus. Der gute Andreas riet mir zu Teilnahme beim Forschungsprojekt der Epidemiologen. Also schaute ich im Internet nach den Informationen über die Nationale Kohorte. Nachdem ich gelesen hatte, dass Biggi Bender, die ehemalige gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Deutschen Bundestag, anfänglich Bedenken gegenüber der Nationalen Kohorte geäußert hatte, fiel mir die Entscheidung recht leicht. Schließlich sehe ich mich als eine Art Anti-Grüner. Also rief ich am nächsten Montag gleich bei den Epidemiologen an und sagte zu.

Am Donnerstag, dem 28. August 2014, war dann der erste Termin. Ich war einer der ersten Probanden, die an dem Projekt teilnahmen. Das Programm begann mit der Aufklärung über den Datenschutz und mit der Befragung über meine Lebensumstände sowie Vorerkrankungen.
Es folgten Blutdruck- und Pulsmessungen sowie die Abgabe von Blut- und Urinproben. Außerdem noch die Messung der Handgreifkraft, bei der ich schon fast einen Kiai, einem japanischen Kampfschrei, zur Entfaltung der Spannung ausüben wollte. Danach kam Zahn- und Mundhöhlenuntersuchung dran. Das habe ich mir so ausgesucht. Dann erfolgte der spannendste Teil. Der Gedächtnis-, Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Feinmotoriktest. Dabei hoffte ich schon auf Zaubertricks, die ich durchschauen sollte. Doch leider blieben die aus. Um die Chancengleichheit aller Probanden zu wahren, habe ich sämtliche Aufgabenstellungen abgeändert.

Beim Konzentrationstest wurde ich als erstes aufgefordert, Nachrichtensprecher zu spielen. Dazu sollte ich einen geradezu irrsinnigen Text vorlesen, ohne zu lachen. Anfangs denkt man sich da noch so, dass das einfach ist. Jedoch gerät man ganz einfach und ungewollt ins Schmunzeln.

Anschließend wurde ein Gedächtnistest gemacht. Dazu sollte ich den bisherigen Verlauf der Untersuchungen schildern. Ich schilderte bei allen drei Versuchen einen anderen Hergang, weil ich Details wegließ und andere hinzufügte. So etwa die nicht ernstgemeinte Beschwerde, dass es beim Blutspenden wenigstens eine kostenlose Mahlzeit gäbe. Dafür sprach ich ein Kompliment aus, weil alles so wunderbar sauber war. Die Sanitäranlagen seien überhaupt nicht so wie an der restlichen Universität.

Hinterher kam ein ähnlicher Test mit dem Aufzählen von Ziffern dran und danach ein Test zum gleichmäßigen Bewegen der Hände.

Das waren interessante Herausforderungen, bei denen ich recht gut abschnitt. Da dachte ich mir: „Ja, ich habe unmedikamentiert einen zu hohen Blutdruck, ein zu starkes Immunsystem, unbändige Kraft, schnelle Reflexe, hohe Ausdauer, eine sehr gute Lungenkapazität, überdurchschnittliche Intelligenz und zu viel Libido. Und jetzt auch noch eine hohe Auffassungsgabe? Mit den ganzen Eigenschaften könnten zwei Menschen locker und einigermaßen erfolgreich vor sich hinvegetieren. Ich sollte wohl Osmose machen.“

Nach der Prüfung meines Geisteszustandes war dann noch abschließend die Messung der Größe, der Masse, des Körperfetts, des Blutdrucks und des Lungenvolumens dran. Bei diesen Untersuchungen hätte ich die ungefähren Ergebnisse bereits im Vorfeld benennen können.

Jedenfalls waren die Untersuchungen ein interessanter Spaß. Nun hoffe ich allerdings, dass mich keiner aufgrund meiner doppelten Körperleistung nach Organspenden fragt. Dem kann ich nur sagen, dass die genetischen Vorbelastungen durch meine Familie an einen schlechten, alten Witz erinnern: „Sie haben Krebs und Demenz. Das dürfte Sie jedoch nicht mehr lange stören.“

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