Vor einiger Zeit erhielt ich eine
Einladung zum diesjährigen Klassentreffen. Ganz anonym und unpersönlich. Es
geschah nämlich über Fratzenbuch, indem ich ungefragt zum Mitglied einer Gruppe
gemacht wurde. Toll! Man konnte sich mit einem Klick zur Teilnahme anmelden.
Danach sollte man einen bestimmten Betrag bei PayPal überweisen. So geht das
mittlerweile in der digitalen Welt. Halt anonym und unpersönlich. Da ist es
kein Wunder, dass sich keiner für das Klassentreffen interessierte. So wurde
aus dem Klassentreffen 2014 ein unverfängliches Treffen ehemaliger Mitschüler. Heute war das Treffen.
Bei dieser äußerst ansprechenden
Einladung wollte ich dann schon schriftlich antworten:
„Oh, man, ein Klassentreffen.
Nach zehn Jahren, wunderbar! Ich kam noch nicht zum Antworten, denn ich bin so
selten bei Facebook. Und das auch nur, um (zumeist ältere) Leute
ruhigzustellen. Sonst glauben die noch, dass ich nicht mehr auf der Höhe der
Zeit sei. Welch Paradoxon, aber egal.
Jedenfalls habe ich schon vor
einiger Zeit gesehen, dass ich dieser Klassentreffen-Gruppe hinzugefügt wurde.
Vielen Dank. Doch etwas lästig waren die regelmäßigen Beiträge dann doch.
Deswegen habe ich die Anzeige von neuen Beiträgen ausgestellt. Doch wie man aus
der Gruppe austritt, habe ich in der Eile nicht herausgefunden. Denn mir ist
ein Klassentreffen eigentlich egal. Und dafür gibt es auch gute Gründe. Wenn
Ihr ganz ehrlich in Euch hineinschaut, werdet Ihr diese ebenfalls teilen.
So ist es tatsächlich etwas
komisch, dass wir in der Zwischenzeit alle mehrheitlich keinen Kontakt
zueinander hatten. Etliche Namen sagen mir nicht einmal etwas mehr, und viele
würde ich auf der Straße nicht unbedingt wieder erkennen. Und so frage ich
mich, ob ein gemeinsamer Übergangsritus im Laufe der Zeit zum Ergötzen an dem
erhofft armseligen Leben der Anderer verkommt. Wer hat es zu etwas gebracht?
Oh, noch keiner Vorstand eines DAX-Konzerns? Noch keiner Lehrstuhlinhaber? Tja,
komisch, aber so ist es einmal. Gerade in Deutschland mit seiner
Militarisierung der Zivilgesellschaft, was durchaus vorteilhaft ist.
Und vielleicht gibt es ja auch
etwas Neues zum Tratschen und so, weil sich jemand geoutet hat. Wie spannend!
Vielleicht ist auch jemand zum Islam konvertiert. Das soll ja auch vorkommen.
Und vielleicht haben die restlichen 90 Prozent erkannt, dass Ihre langen Haare
nie politisch waren, sondern lediglich eine kleine, bedeutungslose Provokation
der Gesellschaft, von der man glaubte, dass mit den 1968ern sich längst erledigt
hat. Aber auch das ist nicht schlimm, wenn Ihr nun erkannt habt, dass Ihr Euch
politisch bei der Union gut aufgehoben fühlt.
Tja, was bleibt sonst noch vom
Klassentreffen? Vielleicht findet ja der heimische Ross seine heimische Rachel
wieder? Aber ‘mal ehrlich, neeeeeeeeeeeeeee! Wir haben doch zu sehr kitschige
Vorstellungen, Hollywood sei Dank. Okay, ein bisschen Bunga-Bunga ist
vielleicht möglich, aber das ist dann vielleicht doch nur die Mitleidstour.
Denn das Ausbleiben von erfüllten Träume, erreichten Ziele und Haarwuchs sind
Vorkommnisse eines Reifungsprozesses. Ja, und das betrifft auch Frauen. Da ist
es allerdings kein biochemischer Prozess wie bei Männern, sondern vielmehr hat
es mechanische Ursachen.
Aber fragt doch vielleicht in
vierzig Jahren erneut bei mir an. Sicherlich bin ich dann schon längst über die
Wupper. Schließlich leiste ich für das Sozialsystem allerhand, indem ich oft
genug rauche und damit zusätzlich Steuern an den Staat abführe. Gleichzeitig kriegen
viele Raucher kurz nach ihrem Renteneintritt ein Lungenkarzinom und krepieren
daran. Übrigens ist der regelmäßige Tabakkonsum etwas, was ich jeder Frau
während und nach ihrer Schwangerschaft empfehlen kann. Ohne Scheiß! Der Konsum
schadet zwar der Mutter, sie stärken aber die DNA-Reparaturenzyme beim Kind. Dadurch
verringert sich die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung beim Kind. Also
denkt daran: Alles für’s Kind!
Haut rein!
P.S.: Sicherlich ist meine
Nachricht nun Gesprächsstoff. Trotz allem werdet Ihr Euer Interesse an einem
Aufblühen alter Freundschaften bekunden und Euch doch erst wieder in zehn
Jahren sehen. Doch wer bin ich, dass ich allzu menschliches Verhalten
verurteile. Meine Sache ist es jedenfalls nicht.“
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