Eigentlich dachte ich, dass heute
ein ruhiger Tag wird und ich mich nicht zum Verfassen eines neuen Posts
gezwungen sehe. Doch die Welt dreht sich halt weiter und wartet nicht auf mich.
So erfuhr ich gegen 17.00 von den deutschen Waffenlieferungen an die Kurden, um
sich gegen die islamisch-fundamentalistischen Krieger des Islamischen Staates,
kurz: IS oder arabisch DI, zur Wehr zu setzen.
Das gaben Verteidigungsministerin
Uschi von der Leyen, CDU, und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, SPD,
bekannt. Damit sind die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel,
SPD, zur Reform der Gesetze über die Rüstungsexporte auch Makulatur. Die Grünen
als eine Oppositionspartei äußerten sich lediglich dahingehend, dass sie über
die Waffenlieferung an die Kurden parlamentarisch mit einbezogen werden wollen.
Das beinhaltet kein Nein der Grünen zu deutschen Waffenlieferungen an die
Kurden. Einzig die Linke spricht gegen Waffenlieferungen aus. Doch wie konnte
es so weit kommen?
Deutschland löst sich allmählich immer
stärker von seiner pazifistischen Außenpolitik und seinem Dogma: „Nie wieder
Krieg mit uns!“ Und das seit dem Kosovokrieg 1999, weil man angeblich in der
Welt von Deutschland mehr erwartet. Doch fragen die Chinesen, Brasilianer,
Ivorer und andere nach mehr deutschem Engagement? Nein, nur die deutschen
Politiker sehen sich in dieser Form der militärischen Verantwortung.
Unbestritten ist das Gebot der
Menschlichkeit bei solchen Konflikten. Dass Jesiden, Christen, Juden, Schiiten,
Kurden und andere Gruppen im Irak geholfen werden muss, steht außer Frage.
Insofern sind die Abwürfe von Nahrungs- und Arzneimitteln eine notwendige
Leistung der Deutschen.
Was bringen jedoch
Waffenlieferungen? Bereits in den 1970ern unterschieden westliche
Außenpolitiker zwischen angeblichen guten und schlechten Waffen. Bei
US-amerikanischen Waffenlieferungen an Ägypten sprachen Politiker von
offensiven und defensiven Waffen. Dazu stellte ich einmal eine Frage, was denn
defensive Waffen seien. „Klar ist, dass Atombomben trotz Abschreckungspotential
eindeutig Offensivwaffen sind. Doch mit einer Maschinenpistole kann man sowohl
defensiv als auch offensiv agieren. Was sind also offensive und defensive
Waffen?“ Darauf gab es betretene Blicke zum Boden, weil jedem Anwesenden
einleuchtete, dass Waffen stets einen offensive Charakter haben.
Auch an der deutschen Haltung vom
heutigen Tag kann man eine vergleichbare Haltung festmachen. Gute Waffen sind
Waffen, die an die Kurden gehen. Schlechte Waffen sind Waffen von sogenannten Islamisten.
Doch sind die Kurden wirklich ein vorbildlicher Bündnispartner, wie wir uns
derzeit im Westen erträumen?
Definitiv nicht. Zu dieser
Erkenntnis kam auch die ARD allmählich. Im Weltspiegel von Sonntag, dem 29.
Juli 2014, wurde der große Schulterschluss zwischen verschiedenen Minderheiten im Nordirak bebildert dargestellt. Ein kurdischer Stammesführer meinte: „Wir
Kurden kennen keine religiösen Vorurteile. Das war noch nie der Fall!“
Sicherlich ist dieses kurdische Stammesoberhaupt ein liebenswürdiger Mensch,
doch verkennt er eindeutig den Menschen. Jeder Mensch hat Vorurteile. Doch dazu
kamen die Kurden nicht, weil sie diese bislang nicht ausleben konnten.
Schließlich sind die Kurden eine Minderheit unter vielen im Irak. Deshalb agieren
sie derzeit auch so vorbildlich und beschützen Christen, Jesiden und andere.
Jedoch dehnten die kurdischen Peschmerga ihr Territorium anfänglich aus, weil
sie eben nur menschlich sind und Einfluss sichern wollten. Siehe dazu die
Berichterstattung über die Stadt Qaraqosh.
Später wurde die vergleichsweise fortschrittliche Gesellschaft im kurdischen Autonomiegebiet in einem ARD-Brennpunkt gezeigt. Erst gestern wurde die Sachverhalte in einem Interview mit der Politologin Bente Scheller etwas gerade gerückt. Demnach sind die Kurden
doch nicht so vorbildlich. Sie sind auch korrupt und verfolgen ihre Interessen,
die nicht mit denen des Westens zwangsläufig vereinbar sind. Zwar befürworte
ich ein unabhängiges Kurdistan. Doch welchen Dominostein man damit los tritt, vermag
ich auch nicht abzuschätzen.
Die deutschen Politiker sollten
einmal kräftig nachdenken und sich die Worte von Margot Käßmann (SPIEGEL33/2014) zu Gemüte führen. Man soll nicht die Sachen vom Ende her denken.
Frieden braucht Zeit. Waffengewalt erzeugt keinen Frieden.
Außerdem sollten sich westliche
Politiker die Misere aus der Unterstützung der Mudschaheddin vergegenwärtigen.
In den 1980ern unterstützen die USA die afghanischen Mudschaheddin im Kampf
gegen die sowjetische Armee mit Waffen. Mit dem Fortschreiten der muslimischen
Fundamentalisten in den 1990ern und 2000ern stieg die Sorge in den USA, dass
die Boden-Luft-Raketen möglicherweise doch in die falschen Hände gelangten.
Schließlich wurden nie alle US-amerikanischen Stinger-Raketen eingesammelt.
Noch heute schwirren in Afghanistan solch „gute“ Waffen herum. Was können also
deutsche Waffen im Nahen Osten anrichten?
Eine Destabilisierung der Türkei,
weil die mit den Peschmerga verbündete PKK trotz derzeitiger Kooperation mit
dem türkischen Staat ebenfalls von den deutschen Waffenlieferungen profitiert
und sich durch Waffenlieferungen gestärkt fühlt. Destabilisierung in anderen
Staaten, weil bei Kriegshandlungen auch Waffen von anderen Parteien erbeutet
und wiederverwendet werden. Und dann deutsche Waffen im nahen Libanon? In
palästinensischen Flüchtlingslagern in Jordanien? Bei den Schiiten in Bahrain?
So etwas kann man jetzt nicht absehen!
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